Sie nahm mir meinen Augenblick,
wenn ich in Tränen schwamm,
nahm sie mir mein Gesicht
und tauchte es in Wasser.
Sie wusch mir mein Gesicht
und wischte meine Tränen aus.
Sie wusch mir mein Gesicht
nach jedem kleinen Weinen.
Sie wusch mich rein
für sich,
Reinwaschung für die Mutter.
Sie nahm mir mein Gesicht,
sie stahl mir meine Wunden.
Sie nahm mir mein Gesicht,
indem sie meine Tränen stahl.
Sie wischte mich
wie eine Tafel aus.
Sie hasste mich
für meine Tränen.
Sie hasste mich.
Sie löschte mich.
Sie löschte mein Gesicht.
Verarmte meine Züge.
Sie löschte meine Tränen aus,
wenn sie mit ihrem Tuch
mir in die Augen fuhr
und
über mein Gesicht,
damit niemand mich weinend
sehen,
wähnen,
noch erahnen konnte,
dass ich geweint hatte.
Sie wusch mir
augenblicklich mein Gesicht,
wenn ich als Kind
geweint hatte.
Wenn ich für mich
geweint hatte,
dann kam sie später,
später,
später
und
wischte mein Gesicht.
Sie wischte meine Tränen
und machte schmale Lippen.
Wenn sie mir meine
Tränen wegwischte,
dann blitzten ihre Augen
und ihre Nase zuckte.
Sie sog an ihren Lippen
und ihre Backen machten Löcher.
Sie biss auf einen Fingernagel
und schaute mich dann an.
Sie wischte meine Leiden aus.
Getrocknet mussten meine
Tränen sein. Bevor ich nicht
getrocknet war,
kam sie nicht näher,
näher.
Sie kam bei meinen Tränen nicht.
Sie wischte kalte Tränen aus.
Sie redete dann leise.
Sie redete mit sich.
Sie redete und
ihre Finger liefen über mein Gesicht
wie Spinnenbeine.
Sie hielt sich nicht
an einer Stelle auf,
sie wischte und
sie wischte,
wie maschinelle Glieder,
wie sieben Zwerge,
Heinzelmännchen,
wie Putzerfische.
Sie wischte mein Gesicht,
entfernte mich
von meinen Spuren.
Und die Erinnerung daran
liegt unter einer Maske,
der Maske meiner Mutter.
Die meine Tränen löschte,
damit niemand erfährt,
wie ich nach Menschen schrie.
Ich hörte schließlich
auf.
Ich hörte auf zu weinen.
Ich hörte auf zu schlucken.
Ich hustete.
Ich hustete.
Das hörte ich dann später auf.
Mit jeder Äußerung
die ich vermied,
verarmte ich,
verarmte ich mich
schließlich selbst.
Ich machte meinen Zugang zu,
die Äußerung der Tränen.
Ich weinte nicht mehr
um mich selbst.
Ich weinte nicht mehr
um mein Leben.
Ich schloss den Zugang
für mein Leiden.
Ich schloss das Kind
mit seinem Leid
in meiner Nähe weg.
Ich schloss mich
wie die Mutter aus
und
ließ mich dort allein,
wo keine Leiden sind,
im Leiden ohne Tränen.
Verachtung
und
Gleichgültigkeit.
Das Leben der Hyäne.
Wo Lachen wie ein Weinen ist.
Mein Leben als Hyäne
begann nach Vaters letzten Schlägen,
nach ihrem Kommentar.
Der Klügere gibt nach.
Begann
als sie mich wegschickten
entließen.
Als ich dann später noch
das Haus verlassen wollte,
als mein Gesicht getrocknet war
vom Schweiß.
Ich hatte nicht geweint.
Ich öffnete die Tür.
Ich machte einen Schritt
nach draußen.
Da hörte ich von oben eine Stimme;
ihn.
Wo willst du jetzt noch hin!
Ich blieb in der
Bewegung
stehen.
Bleib schön zuhause.
Ich machte einen Schritt
und
schloss die Tür.
Ich ging den Gang zurück,
als wäre ich nur umgedreht,
als ginge ich
im Rückwärtsgang.
Ich ging in kleinen
Schritten in mein Zimmer.
Ich setzte mich aufs Bett.
Ich saß da,
starrte vor mich hin
und meine Augen
waren leer.
Ich habe diese Eltern.
Das Leben der Hyäne.
Ihr Lachen über Tränen.
Der Abscheu meines Vaters
die Abscheu meiner Mutter.
Ich musste auch Hyäne werden.
Ich schloss
mein Mitgefühl.
Verrammelte mein Leiden,
die Geister meiner Kindheit.
Ich sperrte
alle Geister ein,
Gefühle für mich selbst
und für die anderen.
Ich sperrte meine
Kindheit
weg,
die sich bemerkbar machte,
erst früher
dann immer später
und
plötzlich nur noch stumm
in mir, in allen Träumen.
Ich hatte keine Orientierung
weil ich den Schmerz
und meine Wut
vergessen hatte.
Weil ich auch später
nur vergessen sollte.
Du brauchst jetzt
nicht mehr weinen.
Jetzt ist doch
alles schon vorbei.
Vergeben und vergessen,
Ich sollte mir nichts
merken. Ich sollte
nichts von
mir behalten.
Es gab für mich
in ihrer Gegenwart
für meine Art Erinnerung
für die Geschichte,
meine,
keinen Raum.
Sie waren mir Hyänen,
die mein Gefühl
die meine Wut
mit ihrer Wut
blindlings
bekämpften
und bekriegten.
Sie löschten Fragen
im Entstehen aus.
Sie fletschten ihre Zähne.
Sie schossen Gift
in meinen Wundkanal
in meine Augen
immer wieder.
Sie lachten
mit dem großen Maul
und angriffslustig
mit ihren gelben Zähnen.
Sie wieherten,
wenn ich mich anschickte
in ihrem Beisein mich zu freuen.
Sie töteten mein Mitgefühl
und meine Wut
mit ihren Drohgebärden.
So standen sie an meinem Bett
und Wasser troff von ihren Zähnen.
Sie würden alles Schwache
das sich mit Not
bemerkbar machte,
tot beißen.
Das machte ihnen Appetit:
mein Hunger,
meine Schwäche,
mein wehrlos sein.
Sie kamen an mein Bett
sie standen dort,
treue Hyänen.
Sich treu.
Wie abgerichtet treu,
wenn ich mich
für sie ungehörig
äußerte.
Ich musste ihre Sprache lernen.
Ich musste mich
für sie verwandeln.
Ich wurde auch Hyäne.
Ein Kind, das unter den Entscheidungen, dem Tun und Unterlassen seiner Eltern fortwährend leiden muss, und das nicht zeigen und nicht wissen darf, lernt dieses Tun und Unterlassen für sein Leben. Es lernt sich falsch entscheiden. Es lernt, weh tun, mit seinem Tun und Unterlassen gleichermaßen. Es lernt sein Fühlen zu verhindern und Fühlen zu blockieren, weil niemand sich ihm zuwendet. Es lernt sich zu verwandeln, da es doch eines immerzu tun musste, sich für die Eltern wandeln und verändern.
Altar
Mein Vater
kommt
nach Hause.
Er möchte
dass
ich
dankbar
bin.
Er schlägt
mich,
dass ich
dankbar werde.
Für das
was
er
mir
gibt
und tut;
und meine
Mutter
ist
demütig.
Mit
Demut
Strafe
und Verbrechen
zu ertragen,
verherrlicht die Gewalt.
© 2016 Hugo Rupp - all rights reserved. Proudly powered by WordPress