Das Schrecken, Aufschrecken, bei jedem Ton, die Angst in mir vor einer Abreibung. Jetzt weiß ich endlich auch, woher das kommt, die Angst vor den Geräuschen zu verstecken. Warum ich irgendwann das so gekonnt hatte, nichts mehr davon zu zeigen.
Die Nachsicht üben.
Der Schaden ist, dass ich nie Nachsicht kennenlernte. Dass ich das nicht von meinen Eltern lernte. Und etwas in mir dachte, dass das nur meine Schuld gewesen sei. Dass ich mir Nachsicht erst verdienen muss. Dass man sich Liebe, Güte, Milde und Verständnis erst verdienen muss. Dass Eltern das verleihen, wenn man als Kind erst Nachsicht zeigt. Und darauf dann stolz sein werden. Dass sich ein Kind Nachsicht erst verdienen muss. Die Lehre von der Abreibung. Die Lehre meines Untertanengeistes. Als wäre eine Abreibung auch ein Geschenk. Dass man für Schläge und Beschimpfungen, auf Milde, Güte, Liebe und Verständnis erst zu verzichten lernen muss. Dass einem Eltern das Verzichten erst beibringen müssen. Dass man auch Strafe zu erwarten lernen muss, um überhaupt belohnt zu werden können. Dass man sich schinden lassen muss, um Nachsicht überhaupt zu kennen und zu schätzen lernen. So unlogisch und schwachsinnig das klingt. Vaters Sadismusunterricht.
Es ging nicht um Vergebung. Ich ging zu meinen Eltern um zu beichten. Es ging um Nachsicht mit den beiden. Ich beichtete nur noch. Das war die Nachsicht, welche meine Eltern schätzten. Dass ich der böse bin. Wie unnachsichtig sie auch waren.
Ich kannte Nachsicht nicht. Ich kannte keine Nachsicht an mir selbst. Da war kein nachsehen, wie es mir ging.
Ich weiß nicht, wie das ist, nachsichtig mit mir sein. Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt, wenn jemand Nachsicht mit mir übt. Ich weiß nicht, wie viel Liebe sich so zeigt.
(1163) Was Nachsicht! – Ihr leidet, und verlangt, daß wir nachsichtig gegen euch sind, wenn ihr im Leiden den Dingen und Menschen Unrecht tut! Aber was liegt an unserer Nachsicht! Ihr aber solltet vorsichtiger um euer selbst willen sein! Das ist eine schöne Art, sich für sein Leiden so zu entschädigen, daß man noch dazu sein Urteil schädigt! Auf euch selber fällt eure eigne Rache zurück, wenn ihr etwas verunglimpft; ihr trübt damit euer Auge, nicht das der andern: ihr gewöhnt euch an das Falsch– und Schief–Sehen!
Friedrich Nietzsche Morgenröte
So fühlte sich das also an, als Vater in mich schrie und meine Mutter ihm Recht gab, und ich vollkommen aufgelöst und stumm und starr vor Angst, nicht einmal mehr den Ton zum Klagen traf. Ich war nicht mehr ganz da. Ich stand nicht mehr zu mir. Ich tickte nicht mehr richtig.
Und wie ich in der Nacht, in meinen Träumen, in der Schlafenszeit und auch noch wach, versucht habe, die Mutter und den Vater zu verstehen. Um Nachsicht zu erlangen, um endlich Nachsicht auch zu kriegen. Um Nachsicht dachte ich und sehnte mich danach und bettelte auch insgeheim in jeder Nacht. Um Nachsicht, welche meine Eltern niemals hatten. Ich musste welche für sie üben. In jeder Nacht übte ich Nachsicht mit der Mutter haben. Nur Nachsicht würde mir noch helfen. Dass ich so sehr daran auch dachte, dass wenigstens ein Mensch doch Nachsicht mit mir haben würde. Einmal mich nicht alleine lassen. Nur einmal Nachsicht üben. Nur einmal freundlich sein und zu mir kommen und was sagen. Nur einmal ohne Leere, Strafe, Drohung sein. Nur einmal nicht Angst haben.
AM: Es ist unendlich schmerzhaft, feststellen zu müssen, dass man sadistisch gequält wurde, oft Jahrzehnte lang, und diese Qualen mit Freundlichkeit, Fürsorge und Beherrschung BELOHNTE. Sie haben das mit Ihrer Mutter erlebt, aber offenbar erst jetzt realisiert. Ihr Vater hat Sie ja ständig verwirrt, zur Beherrschung ermahnt und ließ Sie glauben, das Verhalten Ihrer Mutter wäre normal gewesen. Sie wollten das glauben, weil es keine andere Mutter gab und weil Sie nur dank der Unterdrückung der Gefühle überleben konnten. Jetzt, da Ihre Gefühle erwachen, können Sie SPÜREN, was Ihre Mutter Ihnen angetan hat. Es ist gut, dass Sie es können, das gibt Ihnen den sicheren Zugang zu Ihnen selbst. Das beherrschte Kind wird endlich rebellieren dürfen. Dann verschwinden auch die körperlichen Schmerzen.
Belohnung für Sadismus Tuesday 08 December 2009, © 2014 Alice Miller – all rights reserved
Immer nur schön ruhig bleiben. Bleib jetzt schön bei mir, sagt er.
Nachsicht immer wieder üben. Nachsicht ohne Rücksicht auf Gefühle. Nachsicht immer wieder mit dem Vater und der Mutter üben. Aufgewacht und der Mutter in die Augen schauen. Nachsicht mit der Mutter und dem Vater üben. Nachsicht mit den Eltern üben.
Was ich am Sportplatz mit dem Vater übte, war Nachsicht mit der Mutter und dem Vater üben. Nachsicht üben, brachte er mir bei. Widerwillig immer auf ihn hören. Immer wieder auf ihn hören. Nachsicht mit der Mutter üben. Nachsicht mit der Mutter üben lernen. Nachsicht mit der Mutter üben. Obwohl sie niemals mit mir Nachsicht übte. Nachsicht mit der Irren, die mich so verwirrt hatte, dass ich den Unterschied nicht mehr empfinden konnte, zwischen Liebe, die ich in mir trug, und ihrem Hass.
Dachte schließlich, meine Mutter wäre unschuldig. Würde niemals mir absichtlich etwas tun. Wäre nie verantwortlich für ihre Taten.
Deshalb würde sich auch meine Wut nicht lohnen. Dass ich wieder nur mit meiner Mutter Nachsicht übte, merkte ich nicht mal.
Schau! Wütend werden, bringt doch nichts. Sie hat es doch nicht bös gemeint, sagt er.
Das hat sie dann auch immer so von ihm behauptet. Er würde es nicht böse meinen, und niemals so, wie ich auf seine Schläge dann zusammenfuhr und zuckte, niemals nur so ernst nehmen. Ich würde, meinte sie, dem Vater Unrecht tun, wenn ich sein Tun doch immer nur so ernst nähme. Ich würde alles viel zu ernst nehmen und viel zu wörtlich und persönlich nehmen, wenn Vater schimpfte, mich anschrie, und schlug, angriff und mich zum Teufel wünschte. Dass ich gefälligst jetzt verschwinden sollte, am besten dorthin, wo der Pfeffer wächst.
Nachsicht für meine Eltern konnte ich solange nicht verhindern. Solange ich auf deren Nachsicht, wie auf eine weiße, unentdeckte Stelle, weiter hoffte.
Und immer nur so tun, als würde ich was für sie fühlen.
Denn Vater übte das mit mir: Milde und Güte und Verständnis mit der Mutter und ihm aufbringen. Immer wieder. Immer wieder, ohne Verständnis, Milde, Güte. Ich musste vor ihm Milde und Verständnis gegenüber meiner Mutter zeigen. Ich musste immerzu ein guter Junge für sie sein. Das übten sie mit mir. Nur keinen Mut und keine Wut aufbringen.
Die Feiern mit der Blasmusik, am Kriegerdenkmal und die Umzüge, die Pfingstfeiern, mit der Monstranz und einem Himmel über einem Pfarrer, und Ministranten, und überall die Palmwedel und Buschen, Birkenzweige. Die roten Tücher aus den Fenstern, mit Gold bestickt, und feierliche Stille, die Lieder in der Kirche und im Kindergarten, die Lieder in der Schule und die Reden. Begräbnisse und Sprüche auf den Denkmälern; die Grabsprüche. Die Sätze an die Überlebenden. Nur Nachsicht, Güte, Milde und Verständnis, üben.
Die Nachsicht eines Kindes, ist Unterdrückung von Gefühlen, zur Schonung seiner Eltern. Die Nachsicht und die Schonung, war immer erst Vorsicht, vorsehen müssen, aus Angst vor Strafen und Bestrafungen.
Ich musste mich als kleines Kind vor meiner Mutter und dem Vater schon so vorsehen, dass ich nicht wirklich mitbekam, was meine Eltern an mir hatten: den Sündenbock für ihre Taten. So fühlte ich mich dann, als wär mein Leben, alles Fühlen und Empfinden, mein auf der Welt sein und dort bleiben, von einer Macht abhängig, die sich nie zeigt, zu allem schweigt, mein Leben, alles lenkt, und nicht zu ändern ist. Für alles, die Gesamtheit aller Dinge und Vorgänge, ist immer nur mein Schicksal zuständig; das dachte und das fühlte ich. Ich habe mich auch nicht getraut, das in mir selbst zu hinterfragen. Ich konnte gegen meine Vorsehung, gegen mein vorherbestimmt sein, nichts ausrichten. Denn niemals war die Mutter oder Vater für mein Leid verantwortlich gewesen. Es war doch immer ich, selbst schuld oder die Vorsehung gewesen.
Marianne Theresa Johnson-Reddick born Jan 4, 1935 and died alone on Aug. 30, 2013. She is survived by her 6 of 8 children whom she spent her lifetime torturing in every way possible. While she neglected and abused her small children, she refused to allow anyone else to care or show compassion towards them. When they became adults she stalked and tortured anyone they dared to love. Everyone she met, adult or child was tortured by her cruelty and exposure to violence, criminal activity, vulgarity, and hatred of the gentle or kind human spirit. On behalf of her children whom she so abrasively exposed to her evil and violent life, we celebrate her passing from this earth and hope she lives in the after-life reliving each gesture of violence, cruelty, and shame that she delivered on her children. Her surviving children will now live the rest of their lives with the peace of knowing their nightmare finally has some form of closure. Most of us have found peace in helping those who have been exposed to child abuse and hope this message of her final passing can revive our message that abusing children is unforgiveable, shameless, and should not be tolerated in a „humane society“. Our greatest wish now, is to stimulate a national movement that mandates a purposeful and dedicated war against child abuse in the United States of America.
Nachruf, geschrieben von den Kindern der Verstorbenen, veröffentlicht in der Reno Gazette-Journal, am 13.September 2013, USA.
Du wirst noch an mich denken!
Freu dich nur nicht zu früh!
Wie feindselig und bösartig die Mutter für mich war. Wie feindselig auch Selbstgefälligkeit auf ein Kind wirkt.
Mit ihrer Ahnung, wie was laufen wird. Wie etwas wird und wie sich eben nichts davon verändern lässt, was meine Eltern mir versprachen. Die Arroganz, mit der sie mir etwas vorhersagten.
Ich habe nie was trostloseres erlebt, als meine Mutter und den Vater, wie sie sich mit ihrem Wissen vor mir sonnten; voller Genugtuung und Stolz.
Mein Schicksal wirft ein Netz und ich mit meinem Leid und Leben, muss zappeln wie ein Fisch. Dabei hing ich als Kind an meiner Eltern Angel. Doch alles schien für mich vorherbestimmt.
Um den Verlust von Liebe und von Zärtlichkeit, in mir als Unschuld zu begreifen, benötigte ich meine Wut.
Schutzschicht.
Es war kein Schicksal, das mich schlug, es war kein Schicksal, das mich liegen ließ und Türen schloss, das meine Schreie nicht vernahm und meine Ohren und Gefühle immer nur versiegelt hatte. Das war auch nicht vorherbestimmt. Es waren meine Eltern.
Das ist doch wirklich ärgerlich, sagt er. Jetzt schau dir bloß den Jungen an. Wie der mich anschaut; so als hätte ich ihm was getan. Das ist doch wirklich lächerlich, sagt Mutter dann.
Ich fühlte mich als Kind, als wäre ich nur da, um was zu lernen, was ich nicht kapierte. Und das bedeutet doch, das falsch Gelernte ewig auszuüben, egal wie sehr man sich und andere damit auch quält.
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