Texte von Hugo Rupp

Erlösen

Wie ich vor Hunger zitterte. Wie ich vor meinem Hunger nach Gefühlen schließlich zittern sollte. Sowie vor meiner Wut und meinen Schmerzen. Wie ich vor meinem Hunger zitterte.

Jetzt sind wir wieder gut!

Mein Zittern vor dem Ausbruch von Gefühlen.

Sei endlich still.

Sonst kommt der Schwarze Mann!

Was bildest du dir ein.

Ich war gar nicht verrückt vor Hunger nach Gefühlen. Ich war ja gar nicht panisch. Das waren meine Eltern.

Komm sofort her, was bildest du dir ein.

Mir einfach so davon zu laufen.

Gefühle immer nur verschweigen und versagen. Deswegen habe ich schließlich gedacht, ich hätte immer nur versagt. Da ich auf Schritt und Tritt tatsächlich Schuldgefühle hatte. Dass ich mich schuldig fühlte, weil jeder mich mit Vorwürfen bestraft. Wohin des Wegs? Wo sollten die Gefühle hin? Wo sollte meine Liebe hin? Wo sollte ich denn mit der Einsamkeit selbst hin? Wo sollte ich mit allem hin? Ich wollte niemanden verletzen. Ich wollte ohne Schuld doch sein.

Was bildest du dir ein.

Was fällt dir ein?

Gleich kommt der Schwarze Mann.

Wenn ich was machte oder dachte oder fantasierte, wenn ich was äußerte und wenn ich etwas kundtat, wenn mir was fehlte, wenn ich etwas verriet. Wenn ich nur Hunger habe. Wenn ich nur schreie, weine, lache oder traurig und verletzt bin. Wenn ich mich schwach fühlte. Dass ich dann schuldig bin. Dass ich tatsächlich schuldig bin, wann immer ich mich frage: was geht nur in mir vor?

Du bist ein hoffnungsloser Fall.

Wie hemmungslos mir Vater ins Gesicht geschlagen hat. Wie hemmungslos er mich beschimpft und angeklagt hatte. Wie reibungslos er mich beleidigt und erniedrigt und entwertet hatte.

Sei doch nicht so empfindlich.

Ich lief in meinen Träumen immer in die falsche Richtung. Wenn ich davon lief, lief ich immer in die falsche Richtung und wusste nie, warum. Endlich begreife ich, ich hatte mich gar nicht verlaufen, ich lief einfach davon, ich wollte doch davonlaufen. Ich wollte doch davonkommen. Und kam in Wahrheit nicht davon, nicht weg von meinen Eltern. Endlich begreife ich, ich hab mich nicht verlaufen und verrannt. Ich hab mich als Kind nie verrannt in etwas oder in irgendjemanden.

Das bildest du dir ein?

Sie machten mich nur schwach und haben meine Schwäche dann verachtet. Sie haben mich verlacht, verspottet und verhöhnt. Sie haben mich beschämt, entwertet und verachtet. Sie haben mich bestraft fürs wehrlos sein.

Sie haben mich beschimpft, sie haben mich geschlagen. Sie haben mich zur Unperson gemacht. Sie hielten mir selbst kleinste Fehler und Versprecher und Vergehen unter meine Nase. Sie haben mich zur Unperson erklärt. Sie haben mich verschleppt.

Fass mich nicht an.

Mach mich nicht dreckig.

Wie kann man nur so dreckig sein?!

Wie kann man sich nur so gehenlassen!

Wie kann man bloß so schmutzig sein?!

Die Sprache der Symptome

Von Angst gebeutelt und gepackt, sprach ich, ein kleines Kind, im Grunde immer wieder dann von Mutters Flüchen und Verwünschungen und den Beschimpfungen des Vaters zu mir selbst. Ich sprach nicht mehr in meiner Sprache. Ich sprach nicht mehr mit mir, mit einem kleinen Kind. Ich sprach nicht mehr mit mir, sondern nur mehr wie meine Eltern.

Ich sprach nicht mehr von selbst.

Was bildest du dir ein?

Ich sprach nicht mehr mit mir. Ich sprach nicht mehr die Sprache des verletzten Kindes.

Die angewandte Sprache.

Was fällt dir ein!?

Sie waren die Gefahr.

Was ist das nur für ein Geschrei.

Was ist das bloß für ein Getue.

Was ist das nur für ein Gejammer!

Was weinst du denn?!

Was ist nur mit dir los.

Was ist nur los mit diesem Kind.

Sie waren die Gefahr. Sie waren das von Anfang an gewesen, eine Gefahr für mich. Sie haben mich verschleppt.

Ich reibe mir die Augen.

Pass nur schön auf, gleich kannst du was erleben.

Gleich kommt der Schwarze Mann.

Wie mich das mitgenommen hat mit ihr allein zu sein und ihr nicht auszukommen. Was mich das einst gekostet hat. Wie schamlos sie für mich gewesen war. Wie schamlos sie mir gegenüber war.

Was fällt dir ein?!

So spricht man nicht mit seinen Eltern.

Sie konnten kein Erbarmen finden. Sie konnten keines wiedergeben.

Das bildest du dir ein?!

Wie schamlos und wie rücksichtslos und wie erbärmlich grausam ihr Verhalten war.

Was ist denn los?!

Um 5.45 Uhr in der Früh. Wenn ich was von mir gebe und was haben will. Mit welchem Hass und welcher Abneigung mich Mutter anschaut. Mit welchem Ekel sie mich anschaut und betrachtet, wenn ich was von ihr möchte, wenn ich was von mir geben und etwas von ihr haben will.

Hör jetzt gefälligst auf mit deiner Schreierei.

Ich bin doch da!

Wenn ich aus Hunger nach ihr tastete, dann haute sie mir meine Finger weg.

Sie kratzte mich. Sie tat mir einfach weh. Ich sollte aber davon nichts erzählen und bemerken. Ich sollte meiner Haut nicht trauen lernen. Und meinen Tränen nicht. Und meinem Schluckauf nicht. Schon gar nicht meinen Schmerzen um den Hals. Ich sollte niemals mir vertrauen.

Das bildest du dir ein?

Ich sollte meinen Zehen nicht vertrauen. Ich sollte niemals dem vertrauen, was ich mir wünschte und gefühlt hatte. Ich sollte nicht vertrauen lernen. Ich sollte meinen Fingern nicht vertrauen. Wie Vater mir die Finger biß und mir die Hände quetschte. Ich sollte meinem Hals nicht trauen, um den sie mir den Schal nur immer viel zu eng gewickelt hat.

Das ist doch nur zum Spaß.

Ich sollte die Verletzungen ablehnen, stumm verdauen und damit meine Schmerzen kauen.

Was hast du denn?

Ich hab dir nichts getan.

Ich sollte ihre Grobheit nicht ablehnen.

Werd nur nicht frech.

Gleich kommt der Schwarze Mann.

Ich sollte ihre Grobheit nicht ablehnen, ich sollte ihr nicht widerstehen. Ich sollte mir ihre Grobheit aus dem Kopf schlagen und mir schließlich auch ausgedacht haben. Ich sollte mir ihre Grobheit nicht merken.

Das bildest du dir ein?

Ich sollte alles ablehnen, was meiner Mutter und dem Vater nicht gefiel. Ich sollte alles ablehnen, was ich erfuhr über die Mutter und den Vater.

Was bildest du dir ein?

Ich sollte mir tatsächlich einbilden, ich wär verantwortlich für das Versagen meiner Eltern. Ich wär von Anfang an verantwortlich für ihr verletzendes Betragen; für ihre Ablehnung, Abneigung, Aversion, für ihre gnadenlose, grauenhafte, gedankenlose Angriffslust.

Was bildest du dir ein?

Sie griffen mich ganz einfach an, so wie es ihnen in den Sinn gekommen ist. So wie es ihnen in den Kram gepasst hatte.

Was fällt dir ein?!

Dass ich nicht weinen kann, ein kleines Kind, obwohl sie mich verletzten und beschimpften und beschuldigten. Dass ich nicht weinen kann, wenn mir etwas zustößt. Dass ich mich selber nicht beschweren kann. Dass ich mich selbst nicht mehr beweinen kann, vor lauter Ablehnung und Angriffslust.

Du solltest dich was schämen!

Wenn ich von mir und meinen Schmerzen rede, dann schauen sie mich nicht mehr an. Was fällt dir ein!?

Die Ablehnung und ihre ablehnenden Blicke. Von Anfang an gleich unerbittlich.

Werd nur nicht schwach.

Sonst kommt der Schwarze Mann!

Ich kam von meinen Eltern nicht davon. Ich kam von ihrer Unerbittlichkeit nicht weg. Ich kam nicht raus aus ihrer Kolonie der Strafen und der Schrecken. Ich kam nicht raus aus ihrem Lager. Ich kam nicht weg von dem Erschrecken und dem in mir Erschreckten.

Jetzt ist aber genug!

Nach was ich so dermaßen schrie. Nach Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, nach Freundlichkeit, nach Mitgefühl und Rücksichtnahme, nach Toleranz, Umsichtigkeit, nach einer Aussicht, und nach meinem Leben.

Wie kommst du mir denn vor!?

Du hast doch alles, was du brauchst.

Endlich kann ich den unsichtbaren Mangel spüren.

Ob meine Schmerzen wahr und echt sind. Ob meine Schmerzen wirklich echt sind, fragt sich ein Kind wie ich, mit seinen unterdrückten und verdrängten Tränen, aus Unerbittlichkeit, aus Mangel an Gefühlen.

Wer wird denn jetzt schon wieder weinen.

Wenn ich mich meiner schämte aus Angst vor allen Tönen. Mein Schlürfen, Schmatzen, Flüstern, Reden, Säuseln oder Räuspern, mein Schnaufen, Husten oder Schleim aufziehen. Ihr war das alles nur zuwider und verhasst gewesen, was ich tatsächlich von mir gab.

Das glaubt du doch wohl selber nicht.

Das bildest du dir doch nur ein?!

Ich wollte mich für meine Schmerzen schließlich hassen. Ich wollte mich doch lieber schuldig fühlen für meine eigenen Schmerzen, als immer nur dafür gehasst zu werden. Nur unbedingter Hass auf jede Äußerung von Schmerzen.

Jetzt kommt der Schwarze Mann.

Ich schlief mit unbedingtem Hass an jedem Abend ein und wachte vor den Eltern damit auf.

Was fällt dir ein?!

Endlich begreife ich, sie hatten mir das angehängt und angetan, dass ich tatsächlich schließlich dachte, ich hätte um Bestrafung einst gebettelt. Ich hätte selbst um meine Pein und meine Schmerzen einst gebeten.

Du bettelst förmlich ja darum, dass ich dir eine runterhaue!

Gleich kommt der Schwarze Mann!

Du solltest dich was schämen.

Was bildest du dir ein?!

Sie wollten nie etwas von meinen Wünschen hören. Sie wollten gar kein Zeichen meines guten Willens sehen.

Sitzt den ganzen Tag in seiner Ecke rum.

Du bist mir vielleicht ein Original.

Wenn du so weiter machst, dann kommst du in ein Heim.

Sei endlich still!

Ich dachte immer nur, ich würde nur so einsam sein und mich doch nur alleine quälen, weil ich zu schwach, zu krank, zu dumm, noch viel zu klein wäre. Ich dachte immer nur, ich würde mich nur einsam fühlen, und niemand würde etwas dafür können. Ich dachte immer nur, ich würde mich so einsam fühlen ohne Grund. Ich würde mich tatsächlich so alleine fühlen, ganz ohne Grund.

Das bildest du dir ein.

Nur weil ich keinen Namen für mich fand, kein Wort das passte, für mich und meinen Schmerz, weder was fiebriges noch etwas kaltes, heißt das noch lange nicht, dass mir nichts fehlte und abging. Mein unsichtbarer Makel. Gebranntes Kind. Sie hatten mich vom ersten Tag an abgelehnt, gebrandmarkt, malträtiert; gedemütigt und abgefertigt.

Du bist es ja gar nicht wert, dass ich mir an dir die Hände schmutzig mache.

Im Grunde kann man die Verachtung und den Hass für ein Kind nicht besser ausdrücken.

Das wird dir noch mal leidtun.

Mit Mutter ganz allein zu sein und ihrem bösen Blick. Ihr Mund und ihre gottverfluchte Sprache. Ihr ungewaschenes Maul. Ihr gottverfluchtes Mundwerk und ihre durch und durch beschämende, beschuldigende, demütigende Art.

Das ist ja lächerlich!

Was bildest du dir ein?!

Was schreist du denn?!

Ich bin doch da.

Ich war doch gar nicht weg.

Brutale Schatten

Mich zu benutzen und zu täuschen und zu quälen, daran war ihr gelegen.

Schau dich nur an?!

Wie du aussiehst!

Ich schämte mich vor ihr, doch immer nur vor ihr mit meiner Nacktheit, meinen Bedürfnissen. Ich schämte mich vor ihr, und sie niemals vor mir.

Was fällt dir ein?!

Dass ich ein Niemand werden soll.

Was dir nicht alles einfällt!?

Das falsche Spiel

Wovon die Todesangst des kleinen Kindes spricht. Dass niemand was von mir bespricht und niemand mich bezeugt.

Was schreist du denn?

Was ist denn mit dir los?

Ich wollte nicht ein Niemand sein. Ich wollte nicht ein Niemand sein müssen.

Endlich begreife ich den Zwang zum Selbsthass.

Ich musste meine Seele schließen. Es gab gar keine andere Möglichkeit. Ich musste glauben, dass meine Wut schlecht sei und nur gut sei, wenn ich sie gegen mich selbst richten und erheben würde. Wenn ich mit Wut und Zorn und schließlich Hass ihr gegenüberstand. Dass ich mich selbst zu richten hätte, schon beim Gedanken an die Ungesetzlichkeit, an ihr Versagen, den Mangel an Gefühlen, mit dem sie mir von Anfang an begegnet ist. Und wie mich das getroffen und gebeutelt und verletzt hatte, Abwesenheit der Reue.

Was schreist du denn?!

Was ist nur mit dir los?!

Was bildest du dir ein?!

Ich war verzweifelt auf der Suche nach Gefühlen.

Was fällt dir ein?!

Es gab nur Hass und Zwang zum Selbstbetrug. Es gab ja gar nichts anderes bei mir zu Hause. Nur Zwang zum Hass und Selbstbetrug. Es gab ja gar nichts anderes bei ihr zu holen und zu haben.

Verzweifelte Wut

Ich träumte förmlich meine Schreie, die Schmerzen, weil ich sie wach nicht ohne Strafe und Bestrafung loswerden hatte können. Mein Körper träumte meine Schmerzen, weil es für mich unmöglich war im Wachen und im wachen Zustand davon etwas zu äußern. Sie überhaupt zur Sprache bringen, wurde sofort bestraft.

Zum Falschen hin

Ich musste sprachlos leiden, weil meine Mutter sich verweigerte. Ich musste gefühllos sprechen lernen.

Was bildest du dir ein?

Sie wollte nichts von mir und meinen Schmerzen hören.

Soso, was du nicht sagst!

Wie abstoßend sie war und wie ich mich dann selbst als abstoßend empfand. Wie ich mich selbst abstoßend wahrnahm und empfand. Wie abstoßend ich mich selbst fand, schließlich, mit meinen Schmerzen und meinen Schreien und meinem Hunger, meiner Verzweiflung, meiner Trauer, mit der Enttäuschung, mit allem Drum und Dran.

Das bildest du dir ein?

Endlich begreife ich den Schaden und den Schrecken, warum ich immerzu bei ihr erschrak und dann förmlich in mir verschwand.

Jetzt kommt der Schwarze Mann!

Wie abstoßend das einst für mich gewesen war, wie deprimierend und enttäuschend.

Was bildest du dir ein?!

Endlich kommt Wut. Endlich erschrecke ich nicht mehr vor ihr und diesem Zorn und Hass. Endlich begreife ich meine abstoßenden Gefühle und muss mich nicht mehr dafür schämen. Ich muss nicht mehr davor zurückschrecken.

Wenn sie mir zwischen meine Beine griff.

Ich tu dir nichts.

Ich zuckte nicht einmal mehr mit der Wimper.

Was ist nur mit dir los?

Sag schon?!

Ich konnte meinen Ekel vor ihr nicht ausdrücken. Ich konnte meinen Ekel gegenüber meiner Mutter nicht äußern, nicht aussprechen.

Was fällt dir ein?!

Ich wollte nicht abstoßend sein. Ich wollte an mir nicht abstoßend sein. Ich wollte nicht abstoßend wirken. Ich wollte das nicht für sie sein. Ich wollte das nicht für sie sein müssen. Ich wollte das von meiner Mutter nicht anrühren. Ich wollte nicht abstoßend sein. Ich wollte nicht so sein, wie sie mich haben wollte und mich nannte und wie sie mich von Anfang an geheißen hat. Ich wollte nicht erschrecken und erschreckend sein. Ich wollte mich nicht falsch abbilden und darstellen. Ich wollte nicht abstoßend sein, und meine Mutter konnte das nicht fassen und zulassen. Sie konnte nur abstoßend sein. Sie konnte nur einen Wunsch nach Zärtlichkeit, nach Liebe und Geborgenheit ablehnen und abstoßen, sie konnte dazu nur ablehnend und verneinend sein. Ich wollte nicht mehr von ihr angerührt werden.

Was bildest du dir ein?

Gleich kommt der Schwarze Mann.

Endlich seh ich die Wut und nicht mehr meine Angst davor. Endlich seh ich die Mutter, als Vogelscheuche und Schreckschraube. Sie wollte mich von Anfang an gleich in den Käfig ihres krankes Geistes sperren.

Gleich kannst du aber was erleben.

Gleich wirst du sehen, wer jetzt kommt.

Ich sollte nicht mit Freude aus dem Haus und in die Welt.

Ich sollte nicht unschuldig sein.

Das ist ja lächerlich.

Was mich so wahnsinnig gemacht hatte, diese Verlogenheit. Diese verlogenen Gefühle. Ihre Verlogenheit, ihre verfluchte Falschheit und dass ich auf sie hören hatte müssen und dass ich nichts dagegen tun konnte. Und dass ich ihrer Falschheit und Verlogenheit tatsächlich auf den Leim gegangen bin, weil ich ihr ausgeliefert war.

Sie machte niemals wieder etwas gut. Sie hatte ja niemals etwas besser gemacht. Sie hatte niemals etwas an mir gut gemacht.

Das bildest du dir ein?

Gleich kommt der Schwarze Mann.

Sie hatte jeden Schmerz von mir vergrößert. Sie hatte niemals etwas gut gemacht. Sie hatte das gar nicht gekonnt. Ohne die Zärtlichkeit. Ohne Geborgenheit. Ohne die Sicherheit im Fühlen. Endlich begreife ich, warum ich alles immer schlimmer hatte machen müssen, später, warum ich alles immer nur extrem und außerordentlich gesehen habe und nur mehr außerordentlich, phantastisch und extrem, hatte ansehen können. Ich machte alles immer schlimmer, größer, nur zum Extrem. Alles monströs zu machen, das hatte ich gelernt.

Was bildest du dir ein?

Was schreist du denn?

Du hast doch alles, was du brauchst.

Was schreist du denn schon wieder?

Da ist doch nichts.

Du musst doch keine Angst bekommen!

Sie machte alles immer falsch. Sie machte immer an sich alles falsch. Sie machte alles an mir falsch.

Das ist doch gar nicht wahr.

Endlich begreife ich, um was es für mich ging. Um den Versuch mich in Gedanken an ihr festzuhalten, und dass ich daran immer nur gescheitert bin. Was mich verrückt vor Angst machte, zur Weissglut trieb. Weil nichts und niemand mir in Wirklichkeit geholfen hat, mir selbst nahe zu kommen. Nicht weil ich schrie und zornig war und weinte, nicht weil ich Angst hatte, geradezu in Todesangst geriet, wenn sie mich angeschrien und verflucht hatte. Ich konnte mir nicht nahekommen, weil sie es nicht zuließ, weil sie es nicht zulassen hatte können aus Angst und Mangel an Gefühlen. Der Schmerz, der sich wie eine Schraube in mein Fleisch gedreht hatte und immer tiefer ging und immer unerträglicher sich in mir wand, mir niemals nahe zu kommen, mir selbst einfach nicht näher kommen zu können.

Was fällt dir ein?!

Ich sollte mir und meiner Mutter nicht begegnen. Deswegen schrie ich wie am Spiess.

Jetzt geh ich weg und komm nie wieder.

Dann kannst du sehen, wo du bleibst.

Und ich hab mich gefürchtet und geschämt, dass ich so eine Angst vor ihr bekam. Ich Kind, hatte mich schämen müssen. Ich hatte mich zu schämen, im Angesicht des unverfrorenen Hasses meiner Mutter auf alle Gefühle und Gefühlsäußerungen.

Was fällt dir ein?!

Ich musste meine Wut mit Scham und Schuld zudecken und beflecken.

Sei endlich still.

Sonst kommt der Schwarze Mann.

Mein Gott, der Hass und diese unverfrorene Kälte, wenn ich nur weinte, wenn ich nur anfing mich zu fürchten und zu weinen und zu schnäuzen.

Was schreist du denn?

Was ist denn los?

Ich bin doch da.

Deswegen fühlte ich mich immer nur verloren bei ihr. Deswegen fühlte ich mich so verloren und für mich selbst gar nicht verantwortlich. So unverantwortlich ich mir selbst später damit gegenüber stand. Wie unverantwortlich ich mir selbst und anderen gegenüber war und werden hatte können. Wie unverantwortlich ich war, wenn ich betrunken war. Und wie ich mich verhielt. Wie losgelöst, haltlos und unverschämt direkt, beleidigend, feindselig und abwertend, bar jeder Freundlichkeit, bar jeder Scham, vollkommen unverschämt und ohne Reue.

Sie griff mich einfach an, sie griff mich einfach raus, wenn ihr nach einem Opfer war, wenn ihr nur danach war, mich zu behandeln, als wäre ich unwert.

Werd nur nicht frech.

Sonst kannst du was erleben.

Wenn mir nach einem Opfer war, dann merkte ich gar nicht, dass ich das war, der dieses Kind, das ich gewesen war, für alles Böse und Verkommene, für jede Art von Heuchelei und Grausamkeit, die ich beging, verantwortlich machte. Ich ehemaliges Kind beschuldigte das unschuldige Kind, das ich gewesen war, verantwortlich zu sein, für all das Böse, das ich tat, mir vornahm, dachte oder mir einfach überlegt hatte.

Was bildest du dir ein!?

Was fällt dir ein?!

Dass ich es gar nicht gut mit mir und andern meinen kann. Dass ich das kann, es gar nicht gut mit mir und anderen zu meinen. Dass ich das gar nicht kann, es gut mit mir und anderen zu meinen. Nur das schließt Liebe aus. Nur das schließt den Gedanken mit sich ein, dass sie es gar nicht gut mit mir gemeint hatte, lieblos, so wie sie war, es gar nicht gut meinen hatte können.

Das bildest du dir ein?!

Sie brachte mir von Anfang an nur lieblos sein tatsächlich bei. Endlich begreife ich den Schmerz. Sie hatte mich und alle Schmerzen und meine Äußerungen mit Lieblosigkeit behandelt.

Das bildest du dir ein?

Ich hatte nie was anderes von ihr gelernt als mich mit Lieblosigkeit zu behandeln.

Das bildest du dir ein!?

Du schreist doch nur, um mich zu ärgern.

Alles von ihr und meinem Vater, bekräftigte die Angst, bestätigte die Angst, dass ich tatsächlich Angst vor jeder Art Berührung haben und bekommen sollte.

Was fällt dir ein?!

Sei jetzt gefälligst still.

Endlich begreife ich, woher die Angst vor der Berührung kam, woher sie stammt, für was die Angst vor der Berührung steht; die Angst vor den Gefühlen eines kleinen Kindes. Die Angst vor der Neugier und vor dem Hunger eines kleinen Kindes. Die Angst vor einem kleinen Kind, vor einem unschuldigen Wesen.

Was fällt dir ein?!

Was ist nur mit dir los?!

Schämst du dich nicht?!

Du solltest dich was schämen.

Ein unschuldiges Kind mit unschuldiger Wut.

Jetzt kommt der Schwarze Mann!

Was fällt dir ein?

Sei still.

Du hast doch alles, was du brauchst.

Endlich begreife ich die Scheinbehandlung. Die scheinbare Behandlung meiner Schmerzen. Sie machte immer alles nur zum Schein und wusste das nicht einmal selber. Wie sie sich fühlte und aufführte. Zum Schein. Wie sie sich aufführte und sich dabei niemals verriet, wie künstlich und wie falsch sie war, wie fremd. Entsetzlich fremd. Wie sie mich immer nur zum Schein behandelt hatte. Das hatte mich verrückt vor Angst gemacht. Das hatte mich so angemacht. Dass meine Mutter alles nur zum Schein behandelt hatte. Weil man doch ohne Liebe gar nicht weiß, wie man jemanden gut behandeln kann.

Was bildest du dir ein?! Das war doch alles nur zum Schießen, selbst die Empörung. Das war doch alles nur zum Schein, um vom Versagen abzulenken, um die Unfähigkeit zur Liebe niemals selber zu bedenken.

Das war doch nur zum Schreien, was sie mir angeboten hat, von Anfang an, war alles nur zum Schein.

Was bildest du dir ein!?

Um nicht Lieblosigkeit zu imitieren; um nicht die Eltern nachzumachen, um nicht die unbewussten Eltern ständig wachzurufen. Zum Schein. Scheinbare Selbsthilfe.

Ein Kind wie ich benötigt seine Wut und seinen Zorn, um nicht zum Schein, sich selbst in seiner eigenen Lieblosigkeit für immer zu verlieren.

Ich sollte meine Tränen und meine Schreie, zum Schreien und zum Schießen finden, für meine Eltern; zum Selbstbetrug. Nur immer wieder Selbstbetrug.

Aus Zwang zum Selbstbetrug, zur Scheinbehandlung

Endlich begreife ich den Vorsatz. Sie wollten mir ja gar nicht wirklich helfen. Sie wollten mich ja gar nicht gut behandeln oder unterstützen.

Das war doch nur zum Spaß.

Sie konnten nicht unschuldig spielen. Sie wollten gar nicht mit mir spielen, sie wollten mich beschuldigen und mir die Unschuld nehmen. Um mir die Unschuld abzuknöpfen, spielten sie immer nur zum Schein vor mir die Unschuldigen. Sie wirkten aber nie unschuldig.

Das bildest du dir ein?

Sie wollten mir nur meine Unschuld nehmen und abjagen. Sie haben mich zum Schein beschuldigt. Sie haben immer nur zum Schein beschuldigt.

Was bildest du dir ein?

Endlich kann ich das merken, dass mir die Mutter und mein Vater nie geholfen haben in der Not.

Was fällt dir ein?!

Ich wusste nie als Kind, mit welcher Absicht meine Mutter und mein Vater zu mir kommen würden. Ob sie mir Böses antun würden oder nicht. Ich wusste nie, ob sie mich schlagen würden oder nicht. Ich konnte nicht voraussehen und nicht vorausahnen, was meine Mutter und mein Vater mit mir anstellen würden, ob sie mir schaden würden oder nicht. Ich konnte gar nicht ahnen, was sie im Schilde führten. Ich wusste nie, ob sie mir etwas antun würden oder nicht. Ich hatte als Kind keine Hoffnung, weil es doch für mich Kind gar keine gute Absicht gab.

Was schreist du denn?!

Wir sind doch da.

Endlich begreife ich, sie konnten ihre eigene Angst und ihren eigenen Zorn auf mich gar nicht begreifen, weil sie doch lieblos an und für sich waren. Sie konnten ihre Absicht selber nicht begreifen. Sie hatten keine eigene Sicht, sprich kein Gefühl für ihre eigenen Ansichten und Absichten.

Was fällt dir ein?!

Sie hatten kein Gefühl und deshalb kein Bewusstsein für ihren Hass auf meine kindlichen Gefühle und Bedürfnisse.

Das bildest du dir ein?

Sie kannten keine Liebe und so erkannten sie sie nicht an mir. Deswegen hatten sie auch kein Bewusstsein für die Angst.

Das bildest du dir ein?

Sie konnten sich mit sich nicht auseinandersetzen. Deswegen schrie ich wie am Spieß. Sie konnten an sich nichts verändern. Deswegen hatte ich so eine Angst, so eine Todesangst vor meiner Mutter und vor meinem Vater. So eine Angst vor dem Gefühl der Leere.

Was ist denn mit dir los.

Was schreist du denn schon wieder?!

Sei endlich still!

Sonst werfen wir dich aus dem Fenster.

Sie wussten nicht, was sie für eine Angst vor meiner Wut in Wirklichkeit gehabt hatten. Dass sie an einer solchen Todesangst selbst einmal sprachlos leiden hatten müssen.

Jetzt ist aber ein für alle Mal Schluss.

Dieses Geschrei höre ich mir nicht mehr länger an.

Du musst doch vor uns keine Angst bekommen.

Sei doch nicht gar so schreckhaft.

Sie wussten nichts von ihrer Angst. Sie hatten kein Gefühl mehr für die eigene Todesangst an sich selbst übrig.

Was du dir alles so zusammenreimst!

Was ich als Kind gar nicht begreifen hatte können. Dass jemand mich erschreckt, dass jemand mich zu Tode ängstigt, und das nicht merkt. Dass jemand das nicht merken kann.

Das ist ja lächerlich.

Wie wahnsinnig mich das gemacht hatte, dass meine Mutter immerzu erschrak. Wie sie mich ansah und wie sie mich anfasste, mit dem erschrockenen, verlorenen Blick und dem verstohlenen Hass, aus Angst. Was ich gar nicht begreifen hatte können. Wie man nur eine solche Angst bekommt vor den Gefühlen eines kleinen Kindes. Wie man nur Angst vor einem Kind bekommt. Wie man nur eine solche Angst vor den Gefühlen haben kann, und nur den Hass, um gegen diese Angst im Grunde vorzugehen. Wie man nur eine solche Angst vor dem Gefühl der Angst haben kann. Wie man nur eine solche Angst vor dem Gefühl der Wut des kleinen Kindes haben kann. Wie man nur eine solche Wut vor der Lebendigkeit bekommen kann. Wie man nur eine solche Wut vor der Lebendigkeit und Liebe eines kleinen Kindes haben kann. Aus Angst vor jeder Art von Zärtlichkeit.

Das bildest du dir ein?!

Es ging gar nicht um Ungehorsam. Es ging um die Beherrschung, um die eigene Beherrschung nicht zu verlieren. Die eigene Beherrschung, Lieblosigkeit.

Was mich verschreckt und von Gefühlen abgehalten hat. Ich dachte immer nur, ich müsste mit der Schuld allein zurechtkommen. Ich würde immer nur damit alleine sein und damit auch in alle Ewigkeit alleine bleiben müssen. Ein ausgeschämtes Kind, muss sich mit Schuld bedeckt halten.

Das bildest du dir ein?!

Schämst du dich nicht?!

Wenn ich sie sah, wenn ich sie roch, wenn ich sie suchte, wenn ich sie hörte und vernahm. Und wenn ich weinte. Mich schauderte vor ihr.

Das bildest du dir ein.

Mich schauderte, wenn ich nur nach ihr fragte, wenn ich mich selbst ängstlich nach ihr befragte und wenn ich nach ihr suchte. Wenn ich nur nach der Mutter Ausschau hielt, aus Angst, aus Hunger und aus Furcht. Mich schauderte dabei. Nichts konnte mich davon abhalten und abbringen.

Was fällt dir ein?!

Dass ich an dem Gefühl für meine Mutter keine Schuldigkeit mehr fühle.

Sei endlich still.

Das ist ja lächerlich.

Sie lachte mich tatsächlich aus, wenn ich versuchte, mich zu retten. Mich irgendwie davon zu stehlen, mich zu verkriechen, mich förmlich zu verkleiden, mich unter unserer Eckbank in der Küche zu verkrümeln. Mich irgendwo nur zu verkriechen, mich hinterm Vorhang zu verstecken, um doch noch wegzukommen, von ihr und ihrer Sprache. Sie lachte mich tatsächlich aus.

Das hättest du wohl gern.

Ich fiel mit meinen Tränen und der Wut, mit dem Gefühl des Zorns, in Ungnade. Für etwas schuldig sein zu müssen, für das ich gar nichts konnte. Endlich kann ich den Schmerz der Ausgrenzung auch fühlen.

Gleich wirst du was erleben.

Nur Zwang zur Leugnung und Verleugnung meiner Schmerzen. Nur Zwang zur Ausgrenzung und zum ungnädig sein, das habe ich als kleines Kind erfahren.

Endlich begreife ich, dass niemand mich ausstehen hatte können mit meiner Angst und meiner Einsamkeit und meiner Furcht vor dem alleine sein, alleine sein zu müssen. Was das für eine Traurigkeit in mir, was das für Tränen und für Schreie, was das für einen Schmerz in mir einst ausgelöst hatte und dass niemand in meiner Nähe war und nie was davon merkte. Dass dieses Stillhalten, diese unheilige Stille mich mehr erschreckt und eingeschüchtert hat, wie meiner Eltern Hasstiraden. Diese vakante Stille. Der stille Schrecken. Der seelenruhigen Feindseligkeit für immer und für immer nur allein ausgesetzt zu sein. Dieser Erschütterung, diesem Tumult und diesem Chaos, auf das ich in mir klammheimlich, verschwiegen aufgepasst habe, als gäbe es nichts anderes zu schützen und zu wahren. Meine Erschütterung. Dass mein Erbeben endlich ausbricht. Dass die Erschütterung mich lauthals doch verlassen kann. Und dass ich endlich merken kann, wie ich unter der Gefühllosigkeit gelitten habe. Deswegen malte sie mir meine Bilder um. Die ich zu Hause machte oder aus dem Kindergarten oder später aus der Schule heimbrachte. Sie malte mir die Bilder um, dass ich nur an sie dachte, doch immer nur an sie. Ich war der mit Gefühl, ich kleines Kind. Auf mich und mein Gefühl war doch Verlass, deshalb war meine Mutter so versessen darauf.

Was hast du denn da schönes?

Zeig endlich her.

Was hast du denn für mich gemacht?

Was hast du denn heute Schönes gemacht?

Mein Traum vom silbernen Fahrrad, das mir gestohlen wird, in einem Laden in meiner Heimatstadt. Das Fahrrad fehlt, ich frage, frage, frage, doch niemand will es gesehen haben. Niemand will mein silbernes Fahrrad gesehen haben. Auch die Leute, die ich kenne, die ich gut kenne, keiner von ihnen will mein Fahrrad gesehen haben. Dabei ist es doch so auffällig. Dabei ist es doch so auffällig gewesen, silberglänzend. Und hier ist es gar nicht dunkel im Laden. Hier ist es ja hell. Hier kann ja jeder jeden sehen, aber niemand scheint den Dieb meines Fahrrads gesehen zu haben, niemand scheint aufgepasst zu haben, niemand scheint zu begreifen, dass ich etwas verloren habe, dass mir was fehlt.

Was redest du denn da?

Was der Verlust ist. Verlust der Liebe. Verlust des unschuldigen Blicks. Was ich verloren habe. Diese Erschütterung. Was mir gestohlen und entwendet worden ist.

Was bildest du dir ein?

Was mir genommen wurde und was mir vorenthalten worden ist. Verlust und Vorenthaltung des einmaligen und unbezahlbaren Schatzes. Verlust und Vorenthaltung meiner Freiheit, meiner Lebendigkeit und Liebe, der unbeschwerten Art, ohne Gewalt am eigenen Leib, sprich an der Seele. Verlust und Vorenthaltung eines Kompasses, der Hoffnung bringt und in die Zukunft weist.

Was sie mir alles nicht als Kind gegeben haben. Endlich kann ich darüber traurig sein. Was mir entgangen ist, unwiderruflich, an Zuneigung, Befürwortung und Unterstützung. Was einem kleinen Kind, wie mir an Hilfe vorenthalten blieb. Und dass ich das jetzt sausen lassen kann, was ich als Kind niemals bekam, was mir so wehgetan hatte.

Was spielst du dich so auf.

Ich konnte nur gefühllos überleben. Endlich begreife ich, dass das verjährt ist. Aus und vorbei. Dass das vergangen ist. Dass das Gefühl, gefühllos sein, gefühllos sein zu müssen, doch der Vergangenheit und nur mehr meiner Vergangenheit in Wahrheit angehört.

Was fällt dir ein!?

Dass ich die eigene Lieblosigkeit verwinden kann. Wie lieblos alles einst gewesen war und wie verheerend. Gleichgültigkeit, Lieblosigkeit. Endlich kann ich die eigene Lieblosigkeit auch fühlen und mir merken, was mir doch früher eine solche Angst bereitet hat und was mir wie nichts anderes verwehrt gewesen war. Mich wehren, gegen Lieblosigkeit und Todesangst.

Erschütterung und Ausheilung

Endlich begreife ich den Schmerz und meine schlimme Angst. Ich fand mich selber schließlich unausstehlich, wenn ich etwas empfand. Ich fand mich selber unerträglich, wenn ich etwas empfand. Wenn ich noch etwas fühlte, dann fühlte ich mich schwach und als Versager.

Was fällt dir ein?!

Sei nur nicht so vorlaut.

Überleg dir gut, was du sagst.

Wie mich die Unausstehlichkeit der Eltern eingeschüchtert und verwundet und erschüttert hatte, und ihr Beharren darauf.

Was bildest du dir ein?!

Wie ich im Bilde war und gleich im Geiste auf Bestrafung wartete. Wie ich an meiner Mutter und an meinem Vater im Geiste hing. Dass ich im Geiste immer nur darauf gewartet hatte, auf die Verabscheuung und die Verwahrlosung.

Was fällt dir ein!?

Ihr Wirken an mir war nie unschuldig. Es konnte nicht unschuldig sein. Weil ich mich schuldig fühlen musste. Ich sollte mir einbilden, dass ich doch schuldig sei. Endlich begreife ich, was das für mich als Kind bedeutet hat, dass es gar keine unschuldige Berührung gab. Dass jede Art Berührung, ob ich berühre oder berührt werde, Schuld bedeutend sei und Schuld bedeuten würde. Dass es nicht einmal unschuldige Blicke gab. Dass alles, was ich sehe und wahrnehme von Schuld behaftet und von Schuld getrieben sei. Dass Schuld im Sehen und im Hören und im Sprechen liegt, in jedem Wort und jeder Silbe, in jedem Ton und Klang, in jeder noch so kleinen Melodie und Sprache. Dass Schuld im Geiste aller Dinge liegt, das hatte ich mir eingebildet. Dass Schuld in meinem Geist an sich schon angelegt, von Anfang an schon angelegt gewesen wäre. Dass alles an mir, an und für sich, schuldig gesprochen sei. Dass ich, was immer ich auch spürte oder anrührte, mich schuldig sprechen würde, das habe ich mir eingebildet, das habe ich geglaubt, das habe ich gedacht.

Wo drückt der Schuh?!

Dass Schuld mich so gedrückt hatte, die ganze Zeit über, bei jedem Schritt, jeder Bewegung und beim Atmen. Weil Schuld in allen Lagen und Belangen lag. Dass jeder an sich schuldig sei, egal was er gerade machte oder gerade halten oder nur von sich geben würde. Dass jeder schuldig ist und sich nur wieder schuldig macht. Das hatte ich mir eingebildet, ohne die Möglichkeit zur Unschuld in Gedanken, das hatte ich mir ausgedacht.

Das bildest du dir ein?!

Unschuldige Gedanken gab es nicht, die hatte es gar nicht zu geben. Deswegen konnte ich mich nicht ausheulen und ausheilen. Weil es noch nicht einmal einen Gedanken für mich gab, der nicht von Schuld behaftet und beschmutzt gewesen wäre. Ich sollte nicht unschuldig sein. Ich sollte mir nicht einmal vorstellen, ich könnte mich von Schuld befreien, ich könnte irgendetwas tun, um mich nicht gleich wieder schuldig zu machen.

So, so!

Was du nicht sagst.

Endlich begreife ich die Schuld im Geiste. Endlich begreife ich den Geist, der Gutes tut. Für meine Eltern gab es diesen Geist nicht nur nicht, er war für sie vollkommen unvorstellbar. Nicht mal in mir in einem kleinen Kind, war er für sie vorhanden.

Was fällt dir ein?!

Sei endlich still.

Sonst kommt der Schwarze Mann!

Sie fühlte sich von meiner Wut beleidigt. Sie fühlte sich von meinen Tränen angegriffen. Und sie war eifersüchtig auf meine unschuldigen Schreie. Ich war ein unschuldiges Kind.

Das höre ich mir nicht mehr länger an.

Wenn sie mich nicht mehr mit Gewalt gehorsam machen konnten, versuchten sie es mit der Schuld. Endlich begreife ich, Schuld war nur zur Bestrafung da. Sie hatten mich mit Schuld bestraft. Wenn ihnen nichts mehr anderes einfiel, dann straften sie mit Schuld und mit Beschuldigungen. Sie gaben mir die Schuld. Sie haben mich bestraft, mit Schuld, mit Schuldigkeit, um zu beherrschen, Um dem Versagen und ihrem Mangel an Gefühlen selber ausweichen.

Das bildest du dir ein?

Gleich kommt der Schwarze Mann.

Ich bin nie unbeschadet von ihr weggekommen. Ich bin nie ohne eine Warnung oder Drohung, nie ohne einen Fluch, nie ohne eine Beschuldigung von meiner Mutter weggekommen.

Werd nur nicht frech.

Was fällt dir überhaupt ein, so mit mir zu reden.

Endlich begreife ich in meiner Sprache, dass ich sie nicht mehr haben mag. Dass ich sie nicht mehr haben will, das kann ich endlich mir und diesem Kind, dass ich gewesen war, in Wahrheit sagen. Dass ich sie nicht mehr haben mag.

Weil ich was haben mag, was meiner Mutter widerspricht. Dass ich was haben will, was meine Mutter mir verbietet, was sie sich selbst wie jedem anderen verbietet und verbieten will; in alle Ewigkeit.

Sei endlich still.

Liebe und Zärtlichkeit, Lebendigkeit und Freiheit. Endlich begreife ich, dass ich nicht schuldig bin für meine Träume, Wünsche, sondern nur der, der sie mir nehmen will, verbieten will und mich dafür beschämt. Wie ich die Nähe meiner Mutter schließlich hasste. Wie ich schon in Gedanken ihre Nähe mied, weil ich sie förmlich hasste. Wie ich schon den Gedanken an die Nähe meiner Mutter förmlich hasste. Wie ich im Grunde alles an ihr hasste, wird mit jetzt endlich klar.

Das bildest du dir doch nur ein.

Nie wieder muss ich mir vorstellen, ich würde mich in ihrer Nähe wohl fühlen. Nie wieder muss ich mir vorstellen, ich würde mich in Ihrer Nähe wohl fühlen können. Nie wieder muss ich mir vorstellen, ich müsste mich in ihrer Nähe doch wohl fühlen können. Ich müsste mich in ihrer Nähe doch einmal wenigstens wohlfühlen können. Ich müsste mich doch wohl fühlen können und wenn ich mich in ihrer Nähe nicht wohl fühlte, dann wär das meine Schuld und dafür sollte ich mich schämen und mit Schuld bezahlen.

Was bildest du dir ein?

Ich sollte mich gefälligst schämen. Nur dafür sollte ich mich schämen, dass ich die Nähe meiner Mutter nicht gebührend schätzte. Dass ich die Nähe meiner Mutter nicht gehörig und gebührend respektierte. Sie konnte meine Nähe aber nicht aushalten. Deswegen hatte ich auch einen solchen Zorn. Deswegen habe ich so einen Zorn gehabt, so eine Weißglut, weil sie gar kein Gefühl ertrug, niemals in ihrer Nähe.

So habe ich es nicht gemeint.

Ich habe es nicht so gemeint.

Das war doch alles gar nicht so gemeint.

Das ist doch alles gar nicht wahr.

Was du dir immer nur einbildest!

Sei endlich still!

So fängt das Schlimme und das Schlimmste schließlich an, mit unterdrückter Wut und unterdrücktem Hass. Wenn wir noch nicht mal selbst an uns und unsere Gefühle glauben können. Wenn wir uns für die Eltern immer nur zerreißen, verwirrt, verratzt, allein gelassen, verrannt, verletzt und isoliert, einsam.

Was bildest du dir ein.

Das war doch gar nicht böse gemeint.

So fängt das Schlimme und das Schlimmste für uns an, wenn ich noch nicht einmal mich an die eigenen Schmerzen wenden kann. Wenn ich noch nicht mal für mich selbst die Hand ins Feuer legen darf und für mein Wohl und Weh, für mein Gefühl. Wenn ich noch nicht mal an mich glauben kann, als unschuldiges Kind; so fängt das Schlimme in uns an. Mit Lügen über unsere Schmerzen aus der Kindheit.

Was fällt dir ein?!

Ich kannte niemanden mit dem ich meine Liebe hätte teilen können. Ich kannte als Kind niemanden, dem ich die Liebe für mich selbst mitteilen hätte können. Weil ich für jede Mitteilung, für jede Äußerung, für mein Gefühl, doch immer nur bestraft wurde von meiner Mutter.

Solang ich meinen Eltern trauen wollte, konnte ich meine Hand nicht mal für mich ins Feuer legen.

Du führst dich vielleicht auf!

Ich hatte das im Geiste, mir würde was passieren, wenn ich nicht auf sie hörte. Dass wenn ich nicht auf meine Mutter und den Vater hören würde, dass mir dann etwas zustößt. Dass mir etwas zustößt, dass mir was Schlimmes widerfährt, wenn ich nicht an das glaube, was meine Mutter und mein Vater mir vorsagen und vorhören und vorsehen; wenn ich nicht an sie glaubte.

Gleich kannst du was erleben.

Gleich kommt der Schwarze Mann.

Dann kannst du sehen, wo du bleibst.

Ich musste an die Vorsehung, die meine Eltern mir vorspielten und vorgaukelten, tatsächlich glauben. Ich musste daran glauben, dass mir etwas passiert, solange ich mich wehrte mit meiner Wut und meinem Zorn gegen Missachtung und Misshandlung.

Was fällt dir ein?!

Warum bist du nicht endlich einmal still?!

Endlich begreife ich, dass ich, das ehemalige Kind, ohne die Stimmen meiner Eltern auskommen kann. Dass ich auch wieder laut sein kann, ohne befürchten zu müssen, dass ich dafür bestraft werde.

Pass bloß auf, dass dir deine eigenen Worte nicht im Hals stecken bleiben.

Dass du nicht daran erstickst.

Pass bloß auf, dass du dich nicht verrennst.

Und dass du dir dabei nicht die Finger verbrennst.

Für meine Zärtlichkeit leg ich die Hand ins Feuer.

Was fällt dir ein!

Was ich mir als Kind alles für meine Zärtlichkeit antun hatte lassen müssen. Was ich mir alles gefallen lassen musste für meine Zärtlichkeit. Was ich mir alles dafür anhören hatte müssen. Was ich mir alles dafür später dann selbst auch zugefügt und angetan hatte, um das Gewusste zu verdrängen, dass ich ein kleines Kind für mein Gefühl und meine Äußerung der Zärtlichkeit von Anfang an bestraft wurde. Förmlich verbrannt, verheizt, gehetzt, gejagt und schließlich noch dafür zusammengeschlagen. Dass ich mir das für meine Zärtlichkeit tatsächlich bieten hatte lassen müssen, für meine Zärtlichkeit. Was ich mich alles heißen hatte lassen müssen für meine Zärtlichkeit und meine Liebe für mich selbst.

Was ich mir alles anhören hatte müssen.

Das bildest du dir ein!

Sie haben mich tatsächlich immer nur beschuldigt und verurteilt für meine Wünsche. Dass ich mir denken hatte müssen, dass meine Mutter und mein Vater es ohne mich viel besser haben würden. Dieses Gefühl von Anfang an, vermittelt durch die Eltern. Dieses Gefühl der Abneigung, das meiner Mutter förmlich aus den Augen sprang, wenn sie mich ansah, bevor sie mich anrühren wollte. Dass sie auf mich ruhig verzichten wollte oder hätte können, doch ich niemals auf sie.

Was willst du nur von mir?!

Was hustest du denn dauernd?

Fass mich nicht an!

Wenn einem Schlimmes widerfährt.

Endlich verstehe ich, was mich so wütend machte, und was ich heute erst begreifen kann, sie glaubten doch tatsächlich an ihre Unfehlbarkeit. Sie glaubten wirklich an sich selbst damit. Nur wenn sie unfehlbar mir gegenüber waren, konnten sie an sich und ihre Fähigkeit zum Schlimmen glauben.

Das bildest du dir ein!

Ich konnte mich von der Unfehlbarkeit, vom Glauben meiner Eltern, nicht befreien. Endlich begreife ich den scheinbar unheilbaren Schmerz. Den Schmerz, unter dem ich so gelitten habe. Ich litt an der Unfehlbarkeit.

Mach jetzt nur keinen Fehler.

Was bildest du dir ein?

Sei endlich still.

Gleich kommt der Schwarze Mann.

Die Strafen haben immer nur auf mich gewartet durch die Unfehlbarkeit. Auf meinen eigenen Willen zur Unfehlbarkeit. Sonst hätte ich es nicht mehr ausgehalten bei den Unfehlbaren, als Kind, als einziger Fehlbarer.

Unfehlbar sein zu müssen, anstatt zu fühlen, was doch so quälend einst gewesen war.

Was schreist du denn?

Was weinst du denn schon wieder?!

Du hast doch alles, was du braucht.

Ich sollte gleich von Anfang an buchstäblich gleich unfehlbar sein. Genau so fing das Schlimme für mich an. Solange ich unfehlbar sein musste, solange ich an die Unfehlbarkeit selbst glauben hatte müssen, konnte ich meine Schmerzen aus der Kindheit nicht begreifen. Deswegen konnten sie nicht heilen. Mein Körper konnte meine Schmerzen gar nicht ausheilen, weil ich sie nicht ertragen hatte können. Weil ich sie nicht ertragen hatte dürfen. Solang ich glauben musste, die Eltern würden doch unfehlbar sein und deshalb übermächtig. Nur ohne ein Gefühl, nur ohne Mitgefühl, kann man unfehlbar sein. Nur ohne ein Gefühl für meine Schmerzen kann ich unfehlbar sein, unfehlbar werden und so weiter. Was ich aber mit meiner Fehlbarkeit gewinne, das sind Gefühle und Empfindungen, zum Ausheilen von Schmerzen.

Innere Monologe, und wie man sich damit armselig und unselig, unheilbar macht. Oder vom Zwang zur Unfehlbarkeit

Wo soll das alles noch hinführen?

Jetzt ist endlich mal Schluss.

Endlich begreife ich, es musste immer etwas an mir fehlen. Es ging doch immer nur darum. Es musste einfach immer etwas an mir fehlen; zum Schluss. Es ging nur immer wieder darum. Dass etwas fehlte. Die ewigen Vorwürfe meiner Eltern. Was bildest du dir ein? Es musste immer etwas an mir fehlen. Es musste immer etwas an mir schleierhaft, mangelhaft und unverständlich sein. Es musste immer etwas Fehlerhaftes an mir haften oder liegen. Deswegen war ich so verzweifelt. Weil immer ich am Ende fehlerhaft, ein Fehler blieb. Weil immer ich am Ende eines jeden Tages, ich Kind, der Fehler war und blieb, für meine Eltern. Und deshalb konnte ich nicht aufhören zu monologisieren, zu weinen und zu schreien. Weil ich tatsächlich dachte, so tief in mir, dass ich, nur immer ich, ein kleines Kind, der Fehler sei und niemand sonst. Doch das ist gar nicht wahr.

Das haben wir doch gar nicht so gemeint!

Und wieder war ich nur der Fehlerhafte.

Was fällt dir ein!?

Ich konnte mich mit mir selbst gar nicht aussöhnen. Ich konnte mich nicht beschützen, um mich zu retten. Ich konnte mich nicht einmal retten, solange ich versuchte zu einem guten Ende zu finden, mit meinen Eltern.

Was fällt dir ein?!

Ich muss mich ja gar nicht aussöhnen. Ich kann ja unversöhnlich sein, ohne mich schuldig zu machen, ohne mich schuldig fühlen zu müssen. Ich kann ja endlich meine Wut auf meine Eltern leben. Nur mit der Unversöhnlichkeit den Eltern gegenüber kann ich das Kind, das ich gewesen war, tatsächlich schützen, vor Selbsthass und vor Selbstvorwurf, vor Selbstverlust, dem grauenhaften Mangel an Gefühlen.

Sei nicht so frech!

Sonst kommt der Schwarze Mann!

Was bildest du dir ein?!

Endlich begreife ich, so lernt man die Gefühle zu verschweigen. Endlich begreife ich, was das für mich als kleines Kind geheißen hatte: Sag nichts.

So fängt das Allerschlimmste an. Sage nichts, halte deinen Rand. Nur so verschlimmert sich das Schlimme und der Schmerz und wird zum Bösen an sich selbst. So wird die Wut zu einem bösen Scherz, zu etwas Bösem an und für sich, zu einem bösen Schmerz, den es in Wahrheit gar nicht gibt, solange man sich mögen kann.

Das bildest du dir ein?!

Dass Schmerzen etwas böses sind und ich damit ein Sünder und ein Schuldiger. Und dass mich meine Eltern nicht erlösen, weil ich so schreie, weine und so fort; weil ich ein Sünder bin. Dass meine Schmerzen böse sind und ich damit ein böses Kind, das brachte sie mir bei. Dass ich ihr glauben hatte müssen, obwohl ich das nicht wollte, was schreist du denn schon wieder, was bildest du dir ein, das brachte sie mir bei.

Was fällt dir ein?

So brachte ich mir schließlich bei, dass alles, was ich fühlte, im Grunde böse sei.

Was willst du denn von mir?!

Du sollst nichts sagen! Das hatte ich zu lernen.

Was lachst du denn so blöd!?

Was fällt dir ein?!

Werd nur nicht frech.

Und sei nicht so vorlaut.

Hör sofort auf mit deiner Schreierei.

Was bildest du dir ein?

Hör sofort auf, hier so herum zu schreien.

Sie waren die Unschuldigen. Die Opfer meiner Tränen, die Opfer meiner Schreie. Sie stellten sich tatsächlich hin, als wären sie die Opfer. Die Opfer meiner Pein und meines Leids. So stellten sie sich hin. Sie stellten mich tatsächlich hin, als hätte ich gar keinen Grund. Als hätte ich gar keine Schmerzen. So stellten sie mich dar. So stellten sie das dar. Dass ich gar keine Schmerzen hätte. Sie ignorierten jeden Schmerz.

Was bildest du dir ein?!

Ich sollte nichts von meiner Liebe mitteilen. Ich sollte nichts mit Wut vor meinen Eltern sagen. Ich sollte nicht erwähnen, dass ich so zornig auf sie war. Sie schrien und sie tobten und sie beschimpften und wollten nichts von meinen Schreien und meiner Wut selbst hören oder mitbekommen haben. Sie schimpften und sie schrieen und sie beleidigten und sie entwerteten und wollten selber davon gar nichts wissen und selber gar nichts davon hören. Sie wollten nie etwas davon gehört haben, wie sie von Anfang an zu mir gewesen waren. Das hatte mich verrückt gemacht. Die gnadenlose Heuchelei von meiner Mutter und von meinem Vater.

Das bildest du dir ein?!

Ich sollte nichts von ihrer Grausamkeit bemerken und verraten, nichts von Lieblosigkeit und nichts von meiner grenzenlosen und ausweglosen Leere. Sprich Einsamkeit. Ich sollte nichts davon erzählen und erfahren, warum ich mich als Kind einst so gefürchtet hatte, allein zu sein. Ich sollte nichts davon erklären. Ich sollte nichts von mir erwähnen und erzählen.

Was fällt dir ein?!

Ich sollte nichts von alledem, was mich bewegte, klären. Ich sollte nichts zu allem sagen, was mich bewegte und bewegt hatte.

Sag nichts!

Sei still!

Sie stopfte mir eine Banane in den Schlund, nachdem ich unsere Treppe hinunter gefallen war, da war ich zwei, damit ich nur nicht schreien würde. Sie machte alles schlimmer, noch schlimmer, als es für mich eh schon bei ihr gewesen war. Sie war das Schlimmste was mir passieren hatte können. Sie war für mich der schlimmste Mensch, dem ich als Kind begegnet bin. Endlich begreife ich den Schmerz. Sie ließ sich von mir gar nichts sagen. Sie konnte sich von mir ja überhaupt nichts sagen lassen.

Sei endlich still, dann fühlst du dich gleich besser.

Endlich begreife ich, was mich als Kind dermaßen aufgeregt hatte. Nur immer wieder Heuchelei. Endlich begreife ich, was mich so fertig machte, was mich als Kind verwirrt hatte, dass Heuchler keine Nachsicht üben können, obwohl sie sie erwarten und vorgeblich sich wünschen.

Was bildest du dir ein?

Ich muss niemandem mehr Gefühle vorheucheln, nur um auf was zu warten, um etwas zu erhoffen, was das nicht kommt, weil es ja gar nicht stimmt; weil es gelogen war.

Die Liebe und die Empathie.

Endlich begreife ich. Dass etwas gar nicht kommen kann, was ich als Kind tatsächlich fühlte, Mitleid und Empathie. Endlich begreife ich, dass es den leeren Spiegel gibt mit den Gesichtern meiner Eltern und dass ich deshalb so verzweifelt war, weil ich mich nicht in ihnen spiegeln hatte können mit meiner Empathie und meiner Wut, mit meiner Liebe für mich selbst.

Was bildest du dir ein?

Dass ich was fühlen und was haben kann, was meinen Eltern nicht gefällt und fehlt, ohne mich dafür schämen zu müssen, Liebe und Zärtlichkeit.

Das bildest du dir ein?!

Endlich bleibt meine Luft mir nicht mehr weg, wenn ich an meine Mutter denke und wie sie mir den Schal um meinen Hals verdrahtet hatte, als wollte sie mich gleich erdrosseln, um mich von meiner Luft für meine Schreie und mein Weinen abzuschneiden.

Was fällt dir ein!?

Ich habe mir das gar nicht eingebildet, dass sie mich beinah umgebracht hätte.

Das bildest du dir ein!?

Endlich begreife. Sie hatte mich belogen, und ich habe das nicht gemerkt. Sie hatte mich von Anfang an gleich hinters Licht geführt und mich nur immer wieder angelogen. Sie hatte mit Gewalt von Anfang an auf ihre eigene Angst hin reagiert. Sie hatte mich gleich mit Gewalteinwirkung malträtiert, damit ich still sei und nicht schreien würde. Ich habe immer nur geglaubt, sie hätte immer nur mit ihrer ekelhaften Sprache, mit ihren ekelhaften Sprüchen mich traktiert. Dabei hat sie mich körperlich gleich angegriffen und mich beinah erstickt.

Gleich kannst du was erleben.

Endlich bleibt mir die Luft für meine Wut nicht mehr im Halse stecken. Endlich begreife ich, sie kann mir nicht mehr an die Gurgel gehen. Mir kann die Mutter nicht mehr an die Gurgel gehen und mir den Hahn zudrehen in der Nacht. Sie kann mich nicht mehr töten und alleine lassen. Sie kann mich nicht mehr töten und dann alleine liegen lassen. Sie kann das nicht mehr tun, wovor ich als Kind eine solche Angst gehabt hatte. Sie kann das nicht mehr tun, und ich kann das auch endlich sagen. Weil ich die Angst um mich endlich ertragen kann, was ich als kleines Kind allein nicht konnte.

Wer war es? Ein Freund? Ein guter Mensch? Einer, der teilnahm? Einer, der helfen wollte? War es ein einzelner? Waren es alle? War noch Hilfe? Gab es Einwände, die man vergessen hatte? Gewiß gab es solche. Die Logik ist zwar unerschütterlich, aber einem Menschen, der leben will, widersteht sie nicht. Wo war der Richter, den er nie gesehen hatte? Wo war das hohe Gericht, bis zu dem er nie gekommen war? Er hob die Hände und spreizte alle Finger.

Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen sah noch K., wie die Herren, nahe vor seinem Gesicht, Wange an Wange aneinandergelehnt, die Entscheidung beobachteten. „Wie ein Hund!“ sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben.

Franz Kafka Der Prozeß

Ein Kind, das abseits steht und schweigt. So fängt das Schlimme und das Schlimmste an, wenn man verschweigt und niemals merkt, dass man als Kind am falschen Haken hing, was man an Falschem alles lernen hatte müssen. Wenn man nicht einmal merkt, wie man sich für die Angst um sich, verlieren und verschließen hatte lernen müssen.

Was bildest du dir ein?

Was fällt dir nur ein?

Sei still.

Ich dachte irgendwann, die Angst wär eine Schande. Ich müsste mich für meine Todesangst tatsächlich schämen. Endlich begreife ich, dass ich das nie mehr denken muss und mich nie wieder schämen muss für meine Angst. Und dass ich meine Angst nie wieder mit Gewalt in anderen hervorbringen, aufsuchen und so entwerten und verdrängen muss.

Was bildest du dir ein?

Endlich begreife ich, die Angst, die mir am nächsten lag, die Angst um mich, die sollte ich nicht haben. Die Angst um mich, die sollte ich nicht haben.

Gleich kommt der Schwarze Mann!

Die Emotion, die Angst um mich, die mir in Wahrheit doch am nächsten lag, die sollte ich für meine Mutter niemals haben. Das hat mich so verrückt gemacht. Dass ich mich nicht einmal in höchster Not für mich entscheiden konnte.

Sei endlich still!

Ich sollte mich in Luft auflösen oder in den Boden schämen für meine Liebe für mich selbst, für mein Gefühl der Angst und Wut. Ich sollte nie etwas davon beweisen und behaupten. Ich sollte kein Wort sagen oder wagen, das meine Wut bekräftigte. Ich sollte meine Eltern nicht entkräften, nicht widerlegen, was sie mir immer wieder Falsches sagten und beibrachten.

Was bildest du dir ein?!

Wir tun dir doch nicht weh.

Wir wollen dir nicht schaden.

Wir wollten dir doch nicht wehtun.

Was fällt dir ein!

Die Angst vor meiner Angst um mich.

Ein Kind, das abseits steht und schweigt. Ich wusste nicht mehr, wie ich reagieren sollte. Ich wusste wirklich nicht mehr, wie ich mich verhalten sollte.

Was hustest du denn dauernd?!

Musst du andauernd husten?!

Was ist nur los mit dir?!

Das ist ja nicht zum Aushalten.

Ich konnte ihr nie ungestraft was ausrichten. Ich konnte nie ein Wort straffrei verlieren.

Sie nicht zu erreichen, war die Angst an sich, meine Angst um mich.

Endlich begreife ich, dass sie sich unerreichbar machte. Dass sie sich selber unerreichbar machte, um mich zu quälen. Sie quälte mich mit ihrer Unabkömmlichkeit, sie quälte mich vom ersten Tag an damit. Sie quälte mich vom ersten Augenblick damit.

Was bildest du dir ein?!

Sie redete sich raus. Sie redete sich immer wieder raus, indem sie mich von Anfang an beschuldigt hat.

Endlich begreife ich, was mich so verrückt gemacht hatte und so zur Weißglut trieb und so verzweifelt einst gemacht hatte. Endlich begreife ich, was mich verstummt und fast um den Verstand gebracht hatte, wie Mutter immer eine Ausrede und eine Entschuldigung gefunden hat, für sich und meinen Vater, und nie für mich. Sie ließen nie was von mir gelten.

Was fällt dir ein?

Werd nur nicht frech.

Sie hatten immer eine Ausrede für ihre Schweinereien. Sie hatten immer eine Ausrede parat für ihre Strafen und ihre Vorwürfe, für ihre Taten und ihre unterlassene Hilfe. Sie hatten immer eine Ausrede parat.

Das war doch gar nicht so schlimm!

Das war nicht so gemeint.

Ich sollte Ausreden erfinden für meine Qual und meine Schmerzen und die Pein, ihr ausgesetzt und ausgeliefert zu sein. Ich sollte Ausreden erfinden für meine Schmerzen und die Fehler und ihr Vergehen, für Missbrauch und Misshandlung. Ich sollte Ausreden für ihren Mangel an Gefühlen finden und erfinden. Ich sollte Ausreden erfinden für meine Eltern.

Ich sollte endlich Ausreden finden und erfinden für mich und die Gefühle und Empfindungen. So fängt das Schlimme und das schließlich Böse in uns an.

Was fällt dir ein?!

Ich sollte Ausreden finden und erfinden für die Leblosigkeit meiner Mutter und ihre Gleichgültigkeit, ihre Lieblosigkeit und ihren Hass auf jede Art von Zärtlichkeit, Berührung, Nähe und Vertraulichkeit. So aber fängst das Schlimme und das Schlimmste und das Böse an.

Das ist doch alles nur zu deinem Besten.

Was bildest du dir ein?

Sie fanden und erfanden immer nur Ausreden und Entschuldigungen für ihre Grausamkeit und die Gewalt und die Vergehen und ihre eigenen Verbrechen.

Das interessiert mich nicht, was alle anderen sagen.

Verstehst du das?

Mich interessiert nicht, was du sagst.

Mich interessiert nicht, was du davon hältst.

Und tu gefälligst, was ich sage.

Sie hatten immer eine Ausrede und ließen keine von mir gelten. Was das für mich bedeutet hat, das fühle ich erst jetzt. Was das für eine Wut entfacht hatte, welch einen Zorn und was für einen Hass schließlich, das kann ich endlich fühlen.

Sie ließen sich von mir nichts ausreden, nicht eine einzige Bestrafung. Sie ließen sich nie ausreden, dass ich nicht schuldig sei. Sie ließen sich nicht ausreden, dass ich gar nichts dafür konnte für meine Schmerzen. Sie ließen sich nicht ausreden, dass ich als Kind doch weinen hatte müssen. Sie ließen sich von mir nicht ausreden, was sie sich eingebildet hatten, von Anfang an, dass ich schuld sei, dass ich ein böses Kind sei und sie doch nur bestrafen und verhöhnen wollte mit meiner Schreierei. Sie wollten sich von mir nicht ausreden lassen, dass sie mein Bestes wollten, indem sie mich bestraften, beschimpften und alleine ließen. Sie ließen sich nichts ausreden und redeten sich immer nur heraus, wenn es um Vorsatz ging und um Verantwortung für Taten und Verhalten. Sie redeten sich immerzu nur raus und mich, ein kleines Kind, verfolgten und belegten sie mit Strafen und Beschuldigungen.

Was bildest du dir ein?

Sie ließ sich nichts anmerken. Das fällt mir endlich auf, dass sie sich nie etwas anmerken hatten lassen, als wäre sie vollkommen unschuldig. Wenn ich verzweifelt war und schrie. Dass Mutter sich nie etwas davon anmerken hatte lassen, von der Verzweiflung und warum ich schrie. Sie ließ sich nie etwas anmerken. Endlich verstehe ich auf was ich doch die ganze Zeit heraus wollte, auf irgendeine Form der Anteilnahme oder Reue, auf ein Gefühl der Anerkennung, das aber niemals von ihr kam, nicht einmal ansatzweise im Gesicht, das doch nur vorwurfsvoll sich scheinbar für mich schämte. Sie ließ sich kein Gefühl für mich anmerken. Sie ließ sich kein Gefühl anmerken. Sie ließ sich kein Gefühl außer der Abneigung für meine Schmerzen und meine Tränen und meine Pein anmerken. Ich konnte von ihr gar nichts anderes bekommen. Das ist mir endlich klar geworden.

Ich will dir doch nur helfen.

Damit du nicht andauernd husten musst.

Und dich nicht gleich wieder verschluckst.

Damit du endlich aufhörst so zu weinen.

Das war nur eine Ausrede, endlich begreife ich das wirklich. Dass sie sich immer nur herausnahm und herausgewunden hatte, wenn mir etwas zusetzte oder fehlte, wenn mich etwas angriff. So dachte ich schließlich, ich sollte mir nie wieder etwas davon merken und anmerken lassen, wie schrecklich das für mich gewesen war. So dachte ich schließlich, ich müsste mich aus meinen Schmerzen nur herausreden, dann könnte mir nie wieder etwas wehtun oder fehlen.

Das bildest du dir ein?!

Sei endlich still!

Gleich kommt der Schwarze Mann!

Wie wütend und wie zornig, wie überaus gehässig, mich das Klima der Gewalt und Lieblosigkeit gemacht hatte, wie angriffslustig, aggressiv und böse, mich schließlich Gewalt und fortgesetzte Lieblosigkeit gemacht hatten, wie kalt es in mir wurde und geworden ist. Das ist mir endlich klar geworden; weil ich als Kind der Kälte nicht entkommen hatte können. Endlich begreife ich, nach was ich unentwegt gesucht habe. Nach einer Gegenwart, die für mich spricht, die zu mir spricht und die zu mir gut ist und die zu mir auch hält. Jemand, der mich losspricht, entlastet und befreit von jener Schuld und Schuldigkeit, die meine Mutter und mein Vater mir von Anfang an gegeben haben. Dass jemand für mich spricht und sich nicht selbst andauernd nur herausredet. Dass jemand sich empört ganz einfach für mich Kind und meine unschuldige Seele. Dass jemand mit mir spricht, um mich nicht zu beschuldigen.

Dass ich endlich verstehen kann, dass die Gefahr nicht mehr besteht. Dass ich darauf nicht länger warten muss, dass die Gefahr endlich weggeht. Endlich begreife ich, deswegen wartete ich auf die Entschuldigung, dass jemand mir die Schuld nimmt. Die Schuld, die an mir hing, wie die Gefahr und umgekehrt. Gefahr hing an der Schuld, an meinem Schuldgefühl, förmlich an meinem Körper. Entbinden und entlasten und befreien. Alles hing von der Schuld und von den Schuldgefühlen ab. Alles was mich bedrückte und verrückt machte und voller Angst zurückgelassen hatte, allein. Alles an mir war schuldig gesprochen. Alles hing von ihr ab, von meiner schuldig gesprochenen Seele. Gefahr und Todesangst und Leid. Alles hing von der Schuld ab. Solange ich mich schuldig fühlte, kam ich nicht frei, kam ich nicht weg von meiner Angst, von meiner Angst um mich, als kleines Kind. Ich kam nicht frei von meiner Angst, solange ich mich schuldig fühlen musste für meine Tränen und die Wut und meine Angst, im Grunde doch für jede Art Empfindung und Gefühl.

Was ist nur mit dir los?!

Was bildest du dir ein?!

Was schreist du denn?!

Ich dachte irgendwann, mein Körper wäre schuldig, mein Körper würde schuldig sein. Weil ich halt schreien musste. Weil ich andauernd weinen musste. Ich dachte irgendwann tatsächlich, mein Körper wäre schuldig. Das dachte ich, als kleines Kind. Was ich nicht alles dachte, wird mir jetzt endlich klar. Was ich mir alles eingebildet habe. Weil meine Mutter mich von Anfang an beschimpft hatte, mich kleines Kind, dass ich nur wegen ihr so weinen würde müssen. Nicht weil ich Schmerzen hatte, sondern weil ich doch schuldig war. Das hatte ich mir schließlich eingebildet.

Ein Linker wird kein guter Schreiner.

Sie machten alles an mir schlecht. Sie hatten alles an meinem Körper schlecht gemacht. Sie machten meinen Körper schlecht und somit schuldig. Und endlich habe ich das auch begriffen, dass nicht mein Körper schuldig war und schlecht, sondern meine Eltern.