Texte von Hugo Rupp

Die Verneinung

 

Der Name

Ich werde schläfrig während der Autofahrt und fahre unter die Bäume neben der Straße. Rolle mich auf dem Rücksitz zusammen und schlafe. Wie lange? Stunden. Das Dunkel ist schon eingefallen.

Plötzlich bin ich wach und erkenne mich nicht wieder. Hellwach, aber das hilft mir nicht. Wo bin ich? WER bin ich? Ich bin etwas, das auf einem Rücksitz erwacht, in Panik umhertobt wie eine Katze in einem Sack. Wer?

Endlich kehrt mein Leben wieder. Mein Name kommt wie ein Engel. Außerhalb der Mauern ertönt ein Trompetensignal (wie in der Leonorenouvertüre), und die rettenden Schritte kommen rasch rasch die viel zu lange Treppe herunter. Das bin ich! Das bin ich!

Aber unmöglich, die fünfzehn Sekunden Kampf in der Hölle des Vergessens zu vergessen, ein paar Meter von der Landstraße entfernt, wo der Verkehr mit angeschalteten Lichtern vorbeigleitet.

Aus: DER MOND UND DIE EISZEIT, Gedichte von Tomas Tranströmer

Niemand wollte mich verstehen. Deshalb hatte ich eine solche Angst, dass sich nie was für mich verändern würde. Dass sie mich immer nur vergessen würden.

Heute fühle ich, dass dieses Kind, das ich gewesen bin, Recht hatte. Die Angst, warum ich fror und schon beim Morgendämmer wieder müde wurde.

Sie haben mich gejagt. Wie einen Hasen mit den Hunden und dem Schießgewehr. Sie haben mich gejagt, als ich ein kleines Kind war. Auch wenn sie mich alleine ließen, war ich Freiwild. Auch wenn ich ganz allein in einem Zimmer lag. Mein Atmen war auf Tötung eingestellt. Deshalb versuchte ich nicht auszuatmen, damit sie meine Rassellaute nicht erkennen würden. Wer rasselt ist gleich tot. Wer rasselt, wird sich nicht erholen, sagt Vater immer wieder. Ich war auf Tötung eingestellt. An jedem Tag am Morgen. Mein Vater lächelte, und meine Mutter war beleidigt. Dass ich nicht leiser, noch leiser schnaufen, husten, weinen konnte. Denn meine Äußerungen waren für sie unerträglich, grausam. Das ist ja furchtbar so ein Husten. Und will und will nicht besser werden, sagt sie.

Was tut Liebe?

Bemerkbar machen.

Verständigen. Verständlich machen und verständlich werden lassen. Deswegen wusste ich das also nicht und hatte eine solche Angst als kleines Kind. Mir war vollkommen unverständlich, was mir geschah. Was sie mir auch antaten, blieb unverstanden in mir selbst, bis ich die Entscheidung traf, dass niemand schuldlos ist, der ein Kind schlägt und es alleine lässt.

Our Body Cannot „Turn the Page“

Your question is very important; but it contains the assumption that we can manipulate our feelings without letting others pay the price for it. In reality, we cannot. You are saying here what everyone says, what we all have learned from our parents, in school, in church and even in most of the therapies: “One has to turn the page.” It is, without doubt, a nice idea: that the hatred can go away and never ever return. We want to turn the page and live in peace.

 Everyone wants this, and it would be nice if it worked. But unfortunately, it does not work. Not at all. Why? Because rage, like all other emotions, cannot be controlled and cannot be manipulated; It dictates to us; it forces us to experience it and to understand its causes. It can return every time someone hurts us, and we cannot prevent that, because our body cannot “turn the page”; it demands from us that we listen to it. What we can do, though, is suppress our rage, with all the consequences: illnesses, addiction, crimes. When we do not want to feel our justified rage, because we already have forgiven our parents even the worst abuses, we will soon find out, to our surprise, that we passed on the same pain we endured to our children or to others. If we are truthful, we will not claim that we acted “for their own good” (that beatings are “a good means of education”). Unfortunately, this is what most parents say; this is why our society is so hypocritical.

On the “Articles” page on my Web site you can find my text about hatred, which should be able to help you better understand what I am trying to explain. Also the book “The Body Never Lies” can help you to understand more.

Aus: From Rage to Courage, Alice Miller

Dass dieser Schlag, dass dieses Zittern ja von früher kommt, wenn ich den Kopf nach links drehe und etwas kommen sehe, fürchte, dass was von oben auf mich niedersaust. Ich sehe Vater über mir, wie seine Handschuhfaust in meine linke Backe saust. Das Zittern und mich frieren kommen gleich, doch schon vorbei, weil er sofort zu reden und zu schimpfen anfängt und damit weitermacht, mich zu ermahnen. So stehe ich zu mir, dem Anschein nach, für alle anderen gleich schuldig. Ein Kind, das ungezogen war und seinem Vater weggelaufen, das sehen alle gleich, das muss bestraft, geschlagen werden. Nicht gern, doch jedenfalls bestraft. Dass dieses Kind jetzt selbst Schuld hat für alle, die ich sehe. Bin der, der seinem Vater Unglück bringt, wenn ich nicht das tu, was er sagt, was alle immer wieder sagen. Dass diese Unruhe von früher stammt, von mir, die Ungerechtigkeit endlich benennen und bezeugen will. Wie ungerecht, verbrecherisch das ist, ein kleines Kind zu schlagen und zu beschuldigen.

Ich musste meinen Vater wiedersehen, wie er mich ansah, wie er näherkam, wie er mich angriff und mich anfauchte, wie er mich anging und mich schlug. Da ist nichts Gutes für mich feststellbar. Da war nichts Gutes für mich aufgehoben oder verborgen. Mein Vater unterdrückte nichts, was für mich gut gewesen wäre. Er schlug mich voller Hass und Wut in mein Gesicht. Da war ich Zwei und ein paar Monat alt. Da war nichts gutes für mich aufgehoben. Er schlug mich, und ich habe aufgehört zu atmen, als hätte ich auch das plötzlich vergessen, wie ein Kind schnauft. Erst ein, dann wieder ausatmen. Und jetzt erst ahne ich, was dieser Mensch getan hat. Ich wusste nicht mehr wie man atmet, schnauft, was ich doch vorher noch zustande brachte. Ich weiß doch wie man schnauft. Ich muss doch wissen, wie das geht! Dabei schaut Vater mich nicht an. Ich würde ihn auch gerne fragen: Wie atme ich und wie bekomme ich denn wieder Luft?

Unbehandelte Frakturen am linken Arm sind häufig bei mißhandelten Kindern vorzufinden, weil der Erwachsene in seiner rechten Hand die Besen und Kleiderbügel hält, die er in seinem Frontalangriff auf das vor ihm stehende Kind benutzt. Es versteht sich von selbst, daß dann der linke Arm des Kindes den größten Gefahren ausgesetzt ist.

Aus: Der gemiedene Schlüssel, Alice Miller

Ich habe gedacht, er würde meine linke Seite schlagen, immer nur links, weil er sich schämen würde, für seine Schläge. Deshalb würde er mich links hinschlagen, und meine gute Seite schonen. Um mich zu schonen, zu schützen, zu lieben damit. Das hatte ich vergessen, dass ich tatsächlich auch erzählt habe, dass Vater mich immer nur auf meine linke Seite schlug. Als würde er die gute Seite absichtlich schonen.

Siehst du, er hat dich gern. Er schlägt nur deine linke Seite, sagt Mutter, lächelt und nickt. Als wäre das jetzt der Moment, in dem ich meinen Vater ehren soll. Siehst du, er schlägt nicht auf die rechte Seite. Siehst du, was habe ich gesagt, er hat das nicht nur gesagt, dass er dich mag. Er hat es dir gezeigt, weil er dich schonen wollte. Dein Vater ist ein guter Mensch, sagt sie.

Ich bin niemals auf die Idee gekommen, dass an der Möglichkeit, an meiner Idee als Kind, etwas nicht stimmen könnte. Ich kam nicht auf die Wirklichkeit. Mein Vater war Rechtshänder, er machte alles mit der rechten Hand. Er hasste Linkshänder und Linke und alles was mit links zu tun hatte.

Ich lag im Bett und zitterte. Ich zitterte nur links. Die linke Seite zitterte, so wie ein Kind aus Angst vor einem steht und nicht mehr weiter weiß. Ich strich dann über meinen linken Arm. Und dann verstand ich das Gefühl. Das kleine Kind, das so verzweifelt festgehalten hat, an einer Möglichkeit, den Vater noch zu retten, um zu beweisen, der Vater hätte Mitgefühl gehabt.

Wie ich in Träumen nach dem rechten suchte, dann etwas tat mit links und nicht verstand, warum ich mir nicht helfen konnte. Warum ich in den Träumen mit meiner linken Hand was tat und nicht verstand, warum das jetzt nicht klappen konnte.

Die linke Seite zitterte, ich lag im Bett und fror. Dann träumte ich, ich geh mit meinen Freunden einen Gang entlang, und Vater kommt von hinten und zwickt mich rechts in meinen Hals. Ich wusste es im Traum. Als Träumer wusste ich, was Vater für mich war. Er schonte mich gar nicht. Mein Vater war Rechtshänder. Ich hatte ihn verschont, ich hatte ihn als Kind geschont, sonst wäre ich verrückt geworden. Mein Mythos, Märchen, Glaube an den guten Vater, an eine gute Seite, dass jeder eine gute Seite haben muss, das dachte ich, weil er ja meine gute Seite verschonen würde.

In Wirklichkeit hat Vater mich von vorne angegriffen.

Festhalten musste ich an einer Illusion, von der ich gar nicht wusste, dass ich mich so belüge. Ich schützte mich vor Vaters Grausamkeit. Ich hatte keine andere Wahl, nur diese Möglichkeit mich zu verdrehen, mich zu beschwindeln, anzulügen, um meine Wirklichkeit so zu verändern. Um zu vergessen, wie er wirklich war. Ich zitterte vor ihm. Ich musste daran glauben, dass es in mir die gute und die schlechte Seite geben würde. Dass links nichts wert war, was für rechts etwas bedeuten konnte. Dass ich auf meine linke Seite auch ganz verzichten könnte.

Von diesem Märchen, meinem Mythos, den ich so tief in mir begraben hatte, dass nur mehr Träume mir davon erzählen konnten. Dass endlich Schluss sein soll mit meinem Zittern. Mein Zittern um die Gunst des Vaters. Er konnte gar nicht gut gewesen sein. Mein Vater kannte keine Gnade.

LEGGEWIE: Die Täter ahmen nach und halten sich für einen »Seelenmord« schadlos, der ihnen selbst widerfahren ist.

VACHSS: Das entschuldigt gar nichts – eine Erklärung ist keine Rechtfertigung. Auf jedes furchtbar mißbrauchte Kind, das später zum Serienmörder wird, kommen Tausende Mißbrauchte, die sich standhaft weigern, es ihren Unterdrückern gleichzutun. Deshalb sage ich ja, daß dies so entscheidend für das menschliche Verständnis ist. Wer nicht bereit ist zu sagen: Verhalten ist eine Frage der freien Wahl, der mißachtet all jene, die so entsetzlich behandelt wurden und es trotzdem schaffen, ein moralisch einwandfreies Leben zu führen. Das an sich ist Heldentum in höchster Vollendung. Wenn Sie sagen, freie Entscheidung gibt es nicht, entschuldigen sie vielleicht die Bestien, aber sie beleidigen auch die Helden. Das wäre für mich unvertretbar.

Manchmal können wir früh genug eingreifen und so Entscheidungen beeinflussen. Manchmal können wir den Pfad ein bißchen verändern, den ein mißbrauchtes Kind später, als Erwachsener, beschreitet. Der Prozeß ist vergleichbar mit einem Eimer Wasser, in den man eine Zementmischung schüttet. Für einen gewissen Zeitraum nimmt der Zement jede gewünschte Form an, solange man vorsichtig und geschickt vorgeht. Deswegen ist es durchaus sinnvoll, mit Straftätern zu arbeiten, solange sie jung sind. Wenn man früh genug (und kompetent genug) eingreift, kann man immer noch etwas erreichen. Aber wenn der Zement hart wird …

LEGGEWIE: In welchen Fällen ist eine Korrektur noch möglich?

VACHSS: Ich habe einen Jungen vertreten, der noch keine neun Jahre alt war, aber nach dem raffiniertesten soziopathischen Plan vorging, den Sie sich vorstellen können. Wissen Sie, was der gemacht hat? Er ging in ein Kaufhaus, ein sehr hübscher, charmanter Junge in seinem kleinen Matrosenanzug, und wartete vor den öffentlichen Toiletten. Er wartete den ganzen Tag lang, bis er ein Opfer sah. Für ihn war das perfekte Opfer eine junge Frau mit einem etwa dreijährigen Jungen, und die hat er dann beobachtet …

LEGGEWIE: Klingt wie ein Script für einen Vachss-Krimi.

VACHSS: Wenn Sie damit die harte Wahrheit meinen, sicher – aber der Junge hat mir das alles selbst erzählt. Am Gesichtsausdruck der jungen Frau konnte er sehen, daß sie unsicher war – ihr Sohn ist eigentlich schon zu groß, um mit ihr aufs Damenklo zu gehen, aber noch zu klein, um allein aufs Männerklo zu gehen. Dann tritt dieser hübsche Knabe in seinem Matrosenanzug auf. Er hebt die Hand: »Madam, soll ich mit ihm reingehen? Ich mache das immer mit meinem kleinen Bruder.« Und die Frau sagt: »Wie reizend, was für ein höflicher kleiner Kerl.« Und sie übergibt ihm ihr Kind, und sie wartet und wartet und wartet – dann, als die beiden ewig nicht rauskommen, kriegt sie Angst und stürzt selbst rein … und da liegt ihr kleiner Junge auf dem Boden, weint, und aus seinem Mund kommt Flüssigkeit. Das hintere Fenster steht offen, und mein Mandant ist weg. Er hat das immer und immer wieder gemacht.

LEGGEWIE: Was hat er dabei empfunden?

VACHSS: Als ich ihn gefragt habe, sagte er, es sei ihm wie diesem Tisch gegangen (klopft auf den Tisch): Er hat einfach gar nichts gefühlt. Ich habe gefragt: »Warum machst du das?« Er: »Na ja, weil das Dreckschweine sind.« Dann hat sich folgendes herausgestellt: Sein Vater hat diese Form von Gewalt nicht nur an seiner Mutter, sondern auch an ihm verübt und dazu gesagt: Ihr seid Dreckschweine, ihr macht, was ich sage, ich bin der Boß.

LEGGEWIE: Er wollte es ihm nachtun.

VACHSS: Er wollte vor allem selbst Macht haben. Er hat versucht, sich gegen Unterdrückung zu wehren, indem er sich selbst zum Unterdrücker machte – um so sicher zu sein. In seiner Welt gab es nur: fressen oder gefressen werden – entweder ist man der Räuber oder man ist die Beute. Für diesen Jungen ist es vielleicht schon zu spät, vielleicht auch nicht. Aber er verdient jede Hilfe, die wir ihm anbieten können, sonst verhärtet er zur Bestie, der man nie mehr helfen oder Einhalt gebieten kann.

LEGGEWIE: Und der Vater?

VACHSS: Dem kann keiner helfen. Und es war ganz offensichtlich schon zu spät, ihm Einhalt zu gebieten.

LEGGEWIE: Also ergibt sich Kindesmißbrauch aus einer Art Kettenreaktion, vom Vater auf den Sohn, von der Mutter auf die Tochter?

VACHSS: So einfach ist das nicht. Eine Kettenreaktion verläuft linear – Kindesmißbrauch hingegen multipliziert sich. Dabei heißt es nicht eins plus eins, sondern eins plus drei, und dann drei mal fünf und so weiter. Sicher, der eigentliche Schmelztiegel ist die Familie. Aber wie schon gesagt, es gibt jede Menge Kinder aus guten Familien, die zu Bestien werden, weil sie von einer Vertrauensperson außerhalb der Familie mißbraucht wurden. Manchmal richtet sich die Wut über das, was ein Mensch getan hat, einer, dem man vertraut hat, auf die ganze Gesellschaft. Die Brutstätte für Bestien ist also nicht unbedingt die Kernfamilie, es kann auch eine andere Konstellation sein, und auch hier gilt wieder: Je näher der Betreffende dem Opfer steht, desto vernichtender trifft der Schlag.

Aus: Über das Böse, 
Andrew Vachss und Claus Leggewie im Gespräch

Strafkolonie. Ich sollte Vaters Macht am eignen Körper spüren. Das war der Sinn in seinem Schlag. Vom gleichen Schlag wie sein Vater und Stiefvater. Vom gleichen Schlag. Frühzeitig Macht verspüren lassen, damit man später damit spielen kann. Frühzeitig ein Kind spüren lassen, dass es gar keine Macht besitzt und hat, damit es so parieren lernt, auch wenn es vor Angst in seine Hose macht. Wie Mutter mit den Todesspielen, verlassen immer wieder fortsetzte.

Ich musste schlauer als mein Körper sein. Ich musste meinen Körper überreden. Ich musste klüger als mein Körper sein und damit meinen Vater und die Mutter ehren. Ich sollte meine Schmerzen und meine Trauer, meine Wut vergessen. Für einen Vater, der mir gutes tut, auch wenn er mich zusammenschlägt. Musste mich selbst entscheiden, für eine Seite, die darunter leidet, und eine der das zugute kommt. Ich riss mich also in zwei Teile, zum Wohl, zur Ehre meiner Eltern. Ich wusste nicht, dass mein Gehirn doch alles aufbewahrt und dass es mit den Seiten links und rechts, sich austauscht und befragt. Ich wusste nicht, dass mein Gedächtnis klüger ist, sein kann und stärker, als mein Verstand, mit dem ich meinen Vater schütze und verschone. Das Ganze ist viel mehr, als nur die Summe seiner Teile.

Schön durch die Nase atmen. So ist es gut. Schön immer durch die Nase atmen, sagt sie. Siehst du, das war doch gar nicht schlimm!

Sie sorgten nicht für mich. Sie sorgten sich um ihre Macht und Herrlichkeit. Es ging um Fallen und um Machterhalt. Denn sie verneinten die Gefühle, meine Gefühle immerzu damit. So kam das, wie ich mich verneinen lernte; für ihren Machterhalt.

Ich musste mich in Ja und Nein auflösen, mich selbst in eine gute und eine schlechte Seite spalten, in schwarz und weiß aufteilen. Ich konnte nicht NEIN sagen. Ich konnte nicht selbst bejahen. Ich konnte kein Nein wagen. Ein Kind kann seine Eltern nicht verjagen. Ich war gefangen im System, auf die Verneinung durch die Eltern hin, nichts anderes als Ja zu sagen. Ja zu den Eltern, war mein Nein für mich.

Ich schaute zum Himmel auf und zu Boden und geradeaus

und schreibe seither einen langen Brief an die Toten

auf einer Maschine, die kein Farbband hat, nur einen Horizont-

streifen,

so daß die Worte vergebens schlagen und nichts haftet.

Ich stehe mit der Hand auf der Türklinke, nehme den Puls des

Hauses.

Die Wände sind voller Leben

(die Kinder wagen nicht, im Zimmer oben allein zu schlafen – was

mir Geborgenheit gibt, macht sie unruhig).

Aus dem Gedicht, Ostseen, von Tomas Tranströmer

Dieses Gefühl, bedürftig sein, Bedürftigkeit, dass etwas fehlt, was immer nur verneint wurde. Was ist das denn für ein Gefühl, das ich dann später immerzu verneint habe? Ich nahm als Kind das bei den Eltern immer wahr, dass sie bedürftig waren, nach meiner Aufmerksamkeit, meinem Respekt und meines Trostes, meiner Liebe, meines Zuhörens und Lauschens. Ich blieb leer dabei. Ich ging leer aus bei meinen Eltern. Ich habe nichts davon gekriegt, was sie von Anfang an von mir gefordert hatten. Mein Vater und die Mutter waren meine Geister, die alles in mir nur verneinten, nach dem ich als Kind schrie. Aus Wut über Versagung und Bedürftigkeit, aus Wut über die Verneinung meiner Suche, Anfrage, nach Hilfe, Trost und Liebe, Aufmerksamkeit.

Das schlimme war, dass sie im Grunde meine Not verneinten. Ich dachte später, es gibt zuviel Bedürftigkeit. Doch an mir selbst, nahm ich gar keine wahr. Die Liebe zu mir selbst kam gar nicht vor. Sie hatten mich dafür geschlagen und verschrien, für meinen Ausdruck, mein Empfinden, für mein Gefühl der Leere, weswegen ich so wütend war: ich wollte mich bemerkbar machen, und niemand nahm mich dafür wahr.