Texte von Hugo Rupp

Die Übertragung, oder die Angst vor dem Verschwinden

 

Ich buhlte mit der Verleugnung meiner Gefühle und mit dem Einschränken meiner Bedürfnisse fast bis zum Nullpunkt um die Liebe meiner Partnerin, wie ich es bei meiner sehr ignoranten Mutter ebenfalls getan habe.

Aus Leserpost: Woher kamen die Ängste? Thursday 02 April 2009 © 2017 Alice Miller

Mein Vater ist ein Mensch, der von sich selbst nichts wissen will. Das dachte ich. Deswegen wird er auch so zornig. So dachte ich. Wenn ich ihn, wie ein Hund, mit meiner Nase anstupse, damit er mich mitnimmt. Wenn er nach Hause kommt, dann weine ich. Endlich, jetzt ist er da! Endlich. Denk ich. Und Vater wird gleich wieder böse.

Kein Wunder, dass dein Vater immer später kommt und lieber in der Werkstatt bleibt, wenn du andauernd weinst!

Ich schlief nie neben ihm. Sonst wäre Vater aufgewacht. Das dachte ich.

Was ist denn jetzt schon wieder los?! Was führst du dich so auf!

Im Traum seh ich ihn sitzen, in einem alten Postersessel ganz allein, in einem Raum, so riesig wie ein Flugzeughangar. Und alles ist hier grau und leer.

Und niemand ist sonst da. Und ich seh ihm vom Dach aus zu. Er sitzt in seiner grauen Strickjacke und nichts scheint ihm zu fehlen; nichts stört ihn hier, nichts regt ihn auf.

Ich suchte bei ihm Reue im Gesicht, in irgendeiner Hautfalte; in seiner Nase, seinen Ohren und im Mund; unter dem Kinn? Am Haaransatz, vielleicht am Bauch.

Auf seiner Hand. Wie ich nach Reue dann bei anderen auch suchte. Und mit verkniffenem Mund da stand und schaute, als wäre nichts mehr übrig in der Welt, das sich zu lieben und zu wünschen lohnte.

Wenn Vater nach der Arbeit kam, dann schimpfte er schon draußen vor der Tür, im Gang, im Bad, wo er sich gleich die Hände wusch, Türklinke in der Hand: Was ist denn das? Was ist denn jetzt schon wieder los. Was ist denn das für eine Sauerei!? Wie sieht es hier denn wieder aus. Hat hier denn eine Bombe eingeschlagen. Dann sieht er mich. Wie sieht denn der schon wieder aus?

Allein in einer Flugzeughalle. In meinem Traum. Und alles leer. Denn alles musste für ihn raus und für ihn sauber sein und aufgeräumt.

Kannst du nicht einmal aufräumen, bevor ich komm!? Heb das gefälligst auf, und tu es gleich in deine Kiste zu den andern Legosteinen. Da fällt man ja sonst drüber und bricht sich noch ein Bein.

Mein Vater still in seiner aufgeräumten Werkstatt sitzend. So wie ich ihn mir als Kind vorstellte. Allein in seiner Welt. Und er ist da und sitzt bequem. Und nichts kann ihn dort stören.

Wie unerträglich das für mich gewesen ist, wenn einer nur zum schimpften kommt und nur, aufräumen!, plärrt.

Mein Vater in der Werkshalle. Da ist kein Laut, kein Vogel. Nicht einmal eine kleine Maus. Da ist gar nichts, kein Staub und kein Gesang. Da ist kein Leben und kein Klang. Da klingelt nichts.

Wie er da sitzt und gar nichts von sich gibt in meinem Traum. Was ich nicht sehen kann und in der Außenwelt auch nicht vernehme, wie Vater zu sich selber spricht.

Es kam sehr zaghaft, sprach zu mir sehr undeutlich, nahm mich an der Hand und führte mich in Räume, die ich mein Leben lang gemieden hatte und die mir Angst machten. Und doch mußte ich diese Räume betreten, konnte mich nicht mehr von ihnen abwenden, denn es waren meine Räume, die gleichen, die ich vor Jahrzehnten zu vergessen gesucht und in denen ich das Kind allein gelassen hatte.

Alice Miller

Wie ein an seinen Beinen angebundener und in die Luft gezogener Vogel. Wenn meine Mutter mich aufzog und vorführte, wie so ein Aufziehvogel. Und ruhig musste ich auch sein und dazu etwas lächeln. Ein wenig flattern durfte ich auch noch. Wenn ich zum Schießen war, wie eine Puppe voller Anstand und ohne ein Gramm Mut, dann lachten sie. Als gäbe es nichts Komischeres.

Nimm dich in Acht vorm Schwarzen Mann!

Als ich mit zehn von einer Mauer fiel, da war nur Hass in mir gewesen. Nur Hass auf mein Versagen und den Schmerz. Und Klinger Hans, der zu mir kam und mich tatsächlich tröstete, mich fragte, ob mir etwas fehlt, als erster Mensch, hat mich gerettet und mein Überleben. Dass doch noch eine Ahnung in mich kam, von Trost und Liebe und Versöhnung. So kam ja überhaupt erst die Idee von Trost in mich, obwohl ich wirklich keine Ahnung vorher davon hatte.

Zitat aus ihrem Buch; „Ich komme mir so lächerlich vor, als ob ich an eine Wand gesprochen und gewartet hätte, daß sie mir antworten würde, wie ein dummes Kind.“ Ich fragte: „Würden Sie lachen, wenn Sie ein Kind sähen, das seinen Kummer einer Wand anvertrauen muß, weil niemand anderer da ist?“
Daraufhin schluchzte die Patientin verzweifelt.
Ich selbst konnte bei mir exakt die gleiche Reaktion beobachten, Tränen stiegen mir in die Augen, meine Kehle war wie zugeschnürt.
Ich unterdrückte das Schluchzen, da ich im Bus saß. Ich unterdrückte das Gefühl und was folgte, war Leere und Kälte.
Von meiner Familie (Alleinerziehende Mutter, ihre Eltern) auf´s Beste konditioniert, hatte ich sofort den Gedanken:“Was sollen denn die Leute denken?“
Ein Standardspruch im Reportoir meiner Großeltern, den ich auch heute noch bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit um die Ohren gehauen bekomme.
Ich merke, wie es mir immer wieder in die Kehle steigt und durch einen Mechanismus unterdrückt wird.
Ich bin verängstigt, wütend auf mich selbst und unendlich traurig.

Aus Leserpost: Woher kamen die Ängste? Thursday 02 April 2009 © 2017 Alice Miller

Ich hatte Angst vor dem nach Hause kommen. Ich hatte Angst was Falsches mitzuteilen oder das Falsche mitgebracht zu haben. Ich hatte eine solche Angst davor, was Falsches nur zu sagen. Ich hatte eine solche Angst schließlich, was Nebensächliches, was Unwahres, was Ungehöriges zu sagen. Ich sprach nicht einmal mehr mit einer Wand, denn wenn ich nur noch einen Ton von mir gebe, dann kommt der Schwarze Mann. Dann bin ich weg. Ich hatte eine solche Angst und die nahm niemand wahr. Nur meine Knie und meine Beine. Ich zitterte und schlotterte und niemand kam auf die Idee, ich könnte Angst vor dem Verschwinden haben.

Jetzt gib endlich mal Ruhe. Wart nur bis Vater kommt, dann gibt es gleich ein Donnerwetter. Mach nur so weiter. Weißt du denn nicht, wer heute kommt?!

Ich schaute ängstlich meine Mutter an.

Der Schwarze Mann. Hast du das nicht gewusst?! Das hätte ich dir vielleicht früher sagen sollen. Dann hättest du nicht so geschrien. Jetzt ist es aber dafür schon zu spät.

Ich konnte mir das nicht erklären, warum ich immer ans Ertrinken dachte, wenn ich allein im Wasser auf dem Rücken lag und schwamm. Die Angst vor dem Verschwinden, kam immer dann, wenn ich mich frei fühlte, wenn ich mich freier fühlen konnte. Ich wünschte mir, die Mutter möge endlich selbst verschwinden.

Mein Traum vom Vater in der Werkstatt, allein in einer leeren Halle. Allein in einer toten Landschaft. Alles nur eine Projektion. Allein und leer und ohne eine Seele. Ich war der letzte Spatz, der letzte Sperling für mich selbst, der in der leeren Seelenhalle wohnte.

Würden Sie lachen, wenn Sie ein Kind sähen, das seinen Kummer einer Wand anvertrauen muß, weil niemand anderer da ist?

Alice Miller

Ich lautlos an der Hallendecke schwebend, und unter mir mein Vater in dem Polstersessel. Die Übertragung wird jetzt klarer.

Schau dich nur an! Wo willst du hin!? Das ist ja lächerlich. Wo willst du denn jetzt hin!?

Ich stand mit meinem kleinen Koffer da und hatte Sachen eingepackt. Einen Pullover, ein Paar Schuhe, einen Schal.

Du hast noch nicht mal Socken an. Das ist ja lächerlich. Sei brav und geh gefälligst in dein Zimmer.

Die Mutter, die in meine Träume kommt, als Schwarzer Mann und seelenloser Vater, der in dem Polstersessel sitzt, den sie sich von ihm einst gewünscht hatte. Die Strickjacke hat sie verraten, die sie nach Vaters Tod weiter getragen hatte. Die Übertragung ihrer Ängste, mit denen ich mich quälte.

Sie sitzt in meinem Traum im Sessel, dem Vater täuschend ähnlich.

Ich möchte nicht, dass du hier rumrennst und rumtrampelst. Hörst du. Ich möchte nicht, dass du hier rumturnst und was umwirfst!

Nichts konnte mich von ihr und ihrem Schatten trennen, verschwinde endlich und sei ruhig, sonst kommt der Schwarze Mann.

Das hat doch damit nichts zu tun.

Als gäbe es gar keine Möglichkeit, ihr zu entkommen.

Mich hat unsere Mutter Scheitelnknien lassen.

Niemand kann schlimmer als sein Vater oder seine Mutter sein. Genau so dachte ich dann auch. Als könnte ich zu mir und anderen nicht so gehässig und bösartig sein. Als würde ich das niemals fertigbringen, so wie mein Vater und die Mutter sein. Als könnte ich nicht ganz genau so grausam sein und mich und alle anderen verlassen.

Wollte mich Vater in ein Heim stecken?!

Wo denkst du hin. Das hätte Vater nie getan.

Und du hast vor mir Tod gespielt?!

Das kann schon sein, sagt sie und lächelt.

Die Angst vorm Schwarzen Mann?!

Den hast du dir nur eingebildet! Ich wünschte mir, ich hätte es so gut wie du gehabt als Kind!

Ich hab mich in Gedanken, dann selber Scheitelknien lassen.

Jetzt weiß ich, was der Klinger Hans mit seinem Trost mir beigebracht hatte: Man darf als Kind ja Schmerzen haben und muss deswegen nicht verschwinden. Zum ersten Mal begreife ich, dass ich mich auch mit Schmerzen mögen kann. Zum ersten Mal verstehe ich, dass Schmerzen keine Fehler sind, sondern die Hinweise auf ein veränderbares Wesen. Was meine Mutter immer nur bestraft hatte. Denn alles was in ihren Augen fehlerhaft erschien, sollte verschwinden und zugrunde gehen. Und so beschimpfte ich mich schließlich selbst und jeden anderen für Fehler und für Schmerzen. Das war die Übertragung.

Ich musste immer weg, wenn ich was in mir sah und hörte, das zum Weinen war und mich auch wütend machen hätte können. Ich musste immer weg von mir und einem Kind, das ich mal war und das sich immer nur in mir versteckte.

Dem fehlt nichts! Vielleicht hat er nur einfach Liebeskummer. Das kommt in diesem Alter vor. Ich hatte doch sechs Brüder. Ich weiß, was die sich leisteten. Wenn dem was fehlt, dann eine Abreibung. Der ist nur faul und lernt zu wenig. Der hat doch alles, was man braucht.

Und ich belauschte sie, mit meinem Ohr direkt an einer Sperrholzwand, die mein Kinderzimmer vom Wohnzimmer trennte.

Ich hätte meinen Kummer niemals einer Wand anvertraut. Ich hatte eine viel zu große Angst davor, dass meine Mutter mich belauschen könnte.

Ich komme mir so lächerlich vor, als ob ich an eine Wand gesprochen und gewartet hätte, daß sie mir antworten würde, wie ein dummes Kind.“ Ich fragte: „Würden Sie lachen, wenn Sie ein Kind sähen, das seinen Kummer einer Wand anvertrauen muß, weil niemand anderer da ist?“
Daraufhin schluchzte die Patientin verzweifelt.

Aus Leserpost: Woher kamen die Ängste? Thursday 02 April 2009 © 2017 Alice Miller

Und lange fiel mir auch nicht auf, wie kaltschnäuzig sie war, wenn ich sie etwas fragte.

Wie kaltschnäuzig die Mutter war, wenn ich verzweifelt war. Wie kaltschnäuzig sie log. Wie sie den Vater immer wieder angelogen hatte. Wie kaltschnäuzig ich selber schließlich log. Das fällt mir jetzt auch wieder ein, wie kaltschnäuzig ich meine Mutter angelogen und diebisch mich danach gefreut hatte. Wie kaltschnäuzig ich selber war. Kaltschnäuzigkeit, die übertrug ich unentwegt in mich und auf die anderen. Die Art, wie meine Mutter auf mich reagierte. Ohne Verständnis für das Leid der anderen. Nur so bewahrte ich, wie sie, die Wut vor dem Ausbrechen, zusammen zogen wir uns zähneknirschend in uns selbst zurück.

Entweder tust du, was ich dir sage, oder du verschwindest!

Ich sollte kaltschnäuzig und trostlos, wie meine Mutter zu mir war, auch für mich schließlich selber sein.

Ich komme mir so lächerlich vor, als ob ich an eine Wand gesprochen und gewartet hätte, daß sie mir antworten würde, wie ein dummes Kind.“ Ich fragte: „Würden Sie lachen, wenn Sie ein Kind sähen, das seinen Kummer einer Wand anvertrauen muß, weil niemand anderer da ist?“
Daraufhin schluchzte die Patientin verzweifelt.

Aus Leserpost: Woher kamen die Ängste? Thursday 02 April 2009 © 2017 Alice Miller

Nur wieder die Verzweiflung spüren, wenn sie mit mir Verschwinden spielt. Nur wieder die Verzweiflung spüren, auf ihr kaltschnäuzig und trostlos zu mir sein.

Was kommt denn schon dabei heraus, wenn du dich so sehr ärgerst? Am Ende ärgerst du dich über dich nur wieder selbst am allermeisten.

Mit ihren Spielen, ihren Übertragungskünsten, konnte sie mir weismachen, dass sie selbst keine Strafe fürchten musste, weil sie an allem immer nur unschuldig war.

Wie hätte Kafkas Mutter das lernen können? Sie selber verlor ihre Mutter in einem Alter, in dem ein Kind diesen Verlust weder begreifen noch betrauern kann. Ohne einen emphatischen Ersatz war es ihr unter diesen Umständen nicht möglich, ihre eigene Persönlichkeit, d.h. ihre echte Liebesfähigkeit zu entwickeln. Nicht lieben zu können ist eine große Tragik, aber keine Schuld.

Alice Miller Du sollst nicht merken

Ich konnte ihr nicht näher kommen, weil das unmöglich war. Ich konnte mir als Kind nie selber helfen und mich trösten, weil ich mein Leid auf sie nie übertragen hatte dürfen. Sie war wirklich niemals aus Liebe zu mir gekommen.

Erst heute merke ich, wie aussichtslos und wie absurd das war, auf ihren Trost zu warten.

Die grausamste Idee, die meine Mutter in mich trug, dass ich mir meinen Trost verdienen muss. Dass ich mir Trost verdienen kann, wenn ich auf das nur höre, was sie sagt. Dass man tatsächlich Trost verdienen kann, das dachte ich dann irgendwann. Und wenn man nicht getröstet wird, dann hatte man sich ihn auch nicht verdient.

Als mich der Klinger Hans gefragt hatte, ob mir was weh tun würde und dass er sich erschrocken hat, wie er mich fallen sah, dass er gleich hergelaufen kam, hab ich erfahren, dass ich nicht immer nur verschwinden muss, wenn mir was fehlt, und dass nicht jeder, wie meine Mutter und mein Vater ist und schimpft. Und dass nicht jeder schimpfen kann, wenn ihm was widerfährt. Der Klinger Hans hat sich erschrocken und ist dann zu mir hin, und nicht wie meine Mutter weg. Der hat mich nicht geschimpft. Der war nicht wütend, der konnte gar nicht wütend auf mich sein.

Was mir der Klinger Hans gezeigt hatte, dass man sich Trost gar nicht verdienen muss, auch nicht als Kind. Dass man sich die Gefühle nicht verdienen muss.

Entweder hörst du zu und tust jetzt was ich sage, oder du verschwindest.

Im meinem Traum schlüpft meine Mutter in den Körper meines Vaters. Sie sitzt in einer Halle ganz allein, und ich schau ihr von oben zu. Ihr fehlte nichts. Ihr ging es gut. Sie wollte nichts von mir. Nur mein Verschwinden und dann Ruhe.

Ich war als Kind der Überzeugung, sie hätte meine Wut gar nicht verdient.

Der Klinger Hans hat meine Wut aber gerettet, indem er mich getröstet hat.

Jetzt weiß ich endlich auch warum. Ich muss mir meine Wut und meinen Trost gar nicht verdienen. Ich muss mir ein Gefühl gar nicht verdienen. Ich hatte mir auch seinen Trost gar nicht verdient. Er hat ihn mir einfach geschenkt. Weil das von seinem Herzen kam, was meine Eltern gar nicht hatten.

Ich bin nach jeder Art Verletzung immer nur geflohen, ob in Gedanken, ob wirklich weggerannt, oder gleich beides. Flucht hat mein Körper gleich gedacht, gleich weg, so schnell wie möglich. Das Weite habe ich gesucht, aus Schmerz und Furcht, Trostlosigkeit. Flucht vor der Wut und dem Gefühl der Traurigkeit, dass mich nur wieder niemand trösten will. Gefühl, vollständig leer zu sein und einsam, vom immer nur verschwinden müssen.

Erst seit der Klinger Hans mich nach dem Mauersturz getröstet hat, war die Idee in mir, es könnte etwas anderes als Kaltschnäuzigkeit und Trostlosigkeit tatsächlich geben. Es könnte noch was anderes in mir und andern sein, als immer nur die Fluchtbewegung und der Widerstand. So kam erst die Idee in mich, dass ich die Angst in mir, vor dem Verschwinden müssen, auch wieder zum Verschwinden bringen könnte.

Die Strickjacke des Vaters, die meine Mutter trug, die trug ich später auch ein paar mal.

Wie vollkommen sinnlos das gewesen ist, dem Vater und der Mutter mit trostlos sein und Kaltschnäuzigkeit zu kommen, das merke ich jetzt auch. Wie ich verzweifelt etwas ihnen sagen wollte und anzeigen, wie schmerzhaft das für mich einst war, Kaltschnäuzigkeit nur zu ertragen und zu dulden. Wie sinnlos das tatsächlich war und ist, jemand, der kaltschnäuzig und trostlos ist, mit Kaltschnäuzigkeit zu kommen. Denn das beeindruckt ihn gar nicht. Wie ich das staunend immer nur versuchte und immer wieder scheiterte, wie kurz vor einem Amoklauf ich war, um diese Kaltschnäuzigkeit und Trostlosigkeit doch noch loszuwerden. Mit einem Ausdruck voller Hass. Dabei hat meine Mutter das niemals beeindruckt, wenn ich nur trostlos war. So war sie selbst, die Übertragung hat sie nicht beeindruckt; sie amüsierte sich und fand mich lächerlich.

Ich komme mir so lächerlich vor, als ob ich an eine Wand gesprochen und gewartet hätte, daß sie mir antworten würde, wie ein dummes Kind.“ Ich fragte: „Würden Sie lachen, wenn Sie ein Kind sähen, das seinen Kummer einer Wand anvertrauen muß, weil niemand anderer da ist?“
Daraufhin schluchzte die Patientin verzweifelt.

Aus Leserpost: Woher kamen die Ängste? Thursday 02 April 2009 © 2017 Alice Miller

Sie wollte sich in mir nur immer wieder zum Verschwinden bringen. Sich immer wieder im Verschwinden finden. Sie wollte meine Liebe gar nicht haben. Das lernte ich von ihr, die Liebe zum Verschwinden bringen.