Er demütigt mich vor anderen. Er sagt mir, dass ich nichts werden kann, wenn ich nicht aufhöre zu jammern. Dann werde ich nie wie mein Vorbild sein, nie wie der Peter K.. Er demütigt mich vor meinem Vorbild. Der Peter ist der Beste im Verein. Er stellt mich nicht nur als Nichts vor ihm hin, er führt mich vor, er stellt mich aus. Ein Nichts soll ich für meinen Vater und die andern sein.
Auch vor den Freunden und vor meiner Mutter und vor der Schwester schlägt er mich.
Vater ist eifersüchtig, wenn ich etwas gern habe und wenn ich etwas kann. Jeder, der mich mag, ist für Vater schon verdächtig. Der ist für ihn nur ein Dahergelaufener, ein Nichts, nichts wert.
Das interessiert mich nicht, sagt er. Immer nur: Das interessiert mich nicht. Dabei macht er alles kaputt, was ihn doch scheinbar gar nicht interessiert.
Zerstört: mein Wissen, meine Freundlichkeit und meine Neugier. Freundschaften, was ich kann, was ich mal werden will. Wünsche.
Er schenkt mir Dinge, die teuer sind, doch nichts für mich bedeuten, weil ich mir nichts davon gewünscht habe. Wenn ich auf etwas deute, sagt er: Ja schön, aber vielleicht ist doch das andere bequemer. Das besser. Und das hält auch viel länger. Das ist doch eher nichts für einen Jungen. Und das gefällt dir doch nicht wirklich.
Wie mich das lähmt und wie ich dankbar bin dann später, wenn mich jemand nur ruft, mitspielen lässt. Da passe ich schon auf, dass ich nicht zu viel sage und überhaupt nichts über mich. Wie ich Angst hatte, jemand könnte mir was wegnehmen. Wie ich immerzu befürchtet habe, dass niemand mehr mit mir was reden will, wenn ich gescheit bin und etwas sage, das mir gefällt. Wie ich nichts mehr sagte, und zwischendurch dann nur mehr Blödsinn von mir gab. Wie ich dann später wieder dankbar war, wenn mich wer anschaute. Wie ich auch dankbar war, wenn jemand mit mir sprach.
Entweder macht man etwas gescheit, oder gar nicht, sagt Vater. Immer wieder das erfüllen. Was er nicht kann, fängt er erst gar nicht an. Was er nicht mag, das kommt nicht auf den Tisch. Worte sind Nahrung. Was er nicht mag, darf nicht herauskommen.
Ich wurde wach und konnte mich nicht wehren. Ich wurde immer wieder wach und konnte mich nicht wehren. Er hört nicht zu. Er hört nicht zu. Ich wache auf und habe kein Gefühl. Ich wache wieder auf und habe keine Wahl. Ich wache auf, das ist die Wahl. Die Augen zu und aufzumachen. Ich schlage meine Augen nieder. Dann reiße ich sie auf. Zum Himmel hoch. Kann mich denn wirklich niemand hören!?
Gefällt dir etwas nicht. Gefällt dir nicht, was ich dir sage!?
Ich hatte keine Wahl, das macht den Zorn so groß. Ich hatte keine andere Wahl, als meinem Vater zu gehorchen. Dem Herrscher über Tod und Leben. Mit einem Fingerzeig entschied er über mich.
Verlor mein Interesse für mich. Verlernte mich für das zu interessieren, was mich noch interessiert hätte. Und meine Interessen früher? Die interessierten mich nicht mehr. Verlernte mich zu freuen. Verlernte mich zu unterhalten. Verlernte mich und andere zu hören. Verlernte mich gegen Einsamkeit zu wehren. Verlegte meinen Zorn.
Niemand wollte, dass ich mir wichtig war, dass ich mir wichtig wurde. Dass mich was interessierte. Aus mir soll nichts mehr werden, wenn es nach meinen Eltern geht. Aus mir soll selbst nichts werden.
Den Zorn verstehen lernen, heißt, etwas zu tun, was ich niemals von Vater lernte, auf meinen eignen Zorn zu hören und was er mir zu sagen hat. Was er erzählen will, von Anfang an. Wie es für ein Kind ist, dem Vater ausgesetzt zu sein, und von ihm ausgesetzt zu werden. Nur Zorn. Was es für mich denn hieß, mit Mantel, Hosen, Kleidung, und Gesicht, mit Schuhen, Fingern, widerwilligem Gebein, alles voll Zorn zu haben und zu tragen. In mir nur Zorn zu haben. Was das für mich denn heißt.
Vater hasste Selbstbeobachtung. Mein Vater hasste Seelenleben. Es gab für ihn kein Innenleben. Mein Vater hasste etwas über sich verbreiten; sich selbst äußern war ihm zuwider. Er hasste alles was unsicher war. Beweis für seine Feigheit, Mein Vater hasste in sich schauen. Wie soll so jemand überhaupt jemand bedauern?
Er hatte, als ich noch nicht gehen konnte, meine Füße immer wieder gehalten und liebkost, er hatte gepfiffen, wenn er nach Hause kam, er hat mich angelacht und hat mit mir geredet wie ein lieber Mensch, er hat mit mir herumgealbert, und das ohne Zorn. Dann hat er mich das erste Mal geschlagen, gleich ins Gesicht, mit voller Wucht, und meine Liebe kam zum Stillstand. Ich konnte meinen Vater nie mehr lieben. Und das beweist mein Zorn, dass ein Kind keinen Menschen lieben kann, der böse ist und drangsaliert. Da kann der Vater und die Mutter reden, reden, reden. Das war es, was mich so verstört, verwirrt, förmlich zerrissen hat, dass ich den Vater, den ich so sehr liebte, im Grunde nicht mehr lieben kann. Doch das ist keine Schuld und kein Versagen; niemals von Seiten eines Kindes, es wird nur so von allen Religionen hingestellt, wenn sich ein Kind mit seinem Zorn und seiner Wut der Heuchelei verweigert.
Schläge, Demütigung, Gewalt, töten die Liebe eines Kindes. Und nur der Zorn des tief verletzten Kindes, lässt diese Wahrheit frei; die einmal so empfunden, nicht mehr zu leugnen ist.
Was ich als Kind nur immer glauben musste, was mir so zusetzte, dass ich nie wusste, wer recht hat. Ich musste glauben, dass Schmerz und Leid auch eine Wohltat für mich sein könnten. Ich sollte Vater ehren und vergessen, wie schäbig sein Verhalten war.
Wie übellaunig doch mein Vater war. Wie bösartig er sein konnte und wie gemein er zu mir war und immer wieder wurde, wenn jemand nicht nach seiner Pfeife tanzte, wenn etwas sich dem Anschein nach nur ansatzweise gegen ihn wandte. Wie schäbig dieser Vater zu mir war, wenn ihm an mir etwas missfiel. Wie schäbig mein Vater zu mir war, wenn ich nur etwas sagte, das er nicht gleich verstand. Wie schneidend und wie bösartig auch ich davon dann wurde. Ich konnte mich vor seiner üblen Laune nicht verstecken. Ich hatte keine Chance gegen meinen bösen Vater. Ich durfte ihm doch niemals meine Wut und meinen Zorn zeigen. So steckte seine Übelkeit mich an. Wie man damit die Freude und die Liebe töten kann.
Jetzt weiß ich, was mir mein Traum zeigt, in dem ich einem Freund erkläre, dass ich von heute an, nicht mehr mit ihm verkehren kann. Ich sage das zu ihm, dass ich jetzt nicht mehr mit ihm spielen werde. Dabei bin ich zwei Jahre alt. Der andre Junge ist schon zehn, schaut furchtbar traurig drein und schiebt einen Schubkarren. Und Vater steht im Hintergrund und lächelt.
Mein Vater fand Gefallen daran, jemandem weh zu tun.
Er fand Gefallen daran, mir weh zu tun. Und ihm gefiel, wie ich das von ihm lernte. Doch jener andre Junge, der ich auch war, der mit dem grünen Schubkarren, der ließ sich das nicht bieten und gefallen. Der schaute voller Traurigkeit und Zorn und Unverstand, doch nicht auf diesen kleinen Jungen. Der Junge, der mich rettete, der wollte meinen Vater nicht mehr gehorchen. Der Junge fühlte seinen Zorn gegen den Vater und wollte ihn nicht an dem Kleineren, der ihn gerade erst enttäuscht hatte, blind ausüben.
Die Hoffnung und die Wahrheit für mich selbst, die hatte der zerlumpte Junge, mit dem verdreckten Mund, den ungewaschnen Haaren, der für den Vater viel zu schäbig angezogen war, mit seinem Zorn für mich beschützt und sicher aufbewahrt. Mit seinem Zorn sich selbst ein Vorbild sein. Nie mehr wie Vater sein zu wollen. Nie wieder Vater werden.
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