Texte von Hugo Rupp

Die Freude nehmen

 

Sie freut sich nicht, auch wenn du gute Noten bringst, auch wenn du goldene Sterne ihr vom Kindergarten bringst, freut sie sich nicht. Sie nimmt es als gegeben hin, dass du das tust, was sie dir sagt, dass du erfüllst, was sie dir sagt, doch niemals lobt sie dich und sagt dir: toll, wie schön du das doch machst.

Sie schaut nur hin und geht dann weg. Die Mutter beäugt das, was du tust, mit einer Spur Verachtung für dein Tun an sich. Denn sie verachtet Tun. Die Versagerin, die Mutter, versagt dir jedes Lob, für dich. Sie stimmt nicht zu, sie stimmt nicht ein, sie lobt nicht dein Gefühl, sie lächelt nicht, wenn du, wenn aus dir etwas entstanden ist, wenn aus dir etwas kam, das dich erfreute, weil es für dich, das erste Mal doch ist, dass du erstaunt bist und erfreut, was du, das Kind, doch kann, dass du dir selbst etwas beibringst. Sie sagt nie ja zu dir und dem Gefühl, das du gerade hast. Sie weigert sich, versagt sich dir, nur einmal auch dir mitzuteilen, dass du ihr etwas mitzuteilen hast, für sie, auch ohne sie. Sie lässt dich niemals unabhängig sein. Sie lässt nicht zu, dass du dich unabhängig fühlst. Das ist es, was sie tut, denn sie beäugt dein Tun und dabei Fühlen nie mit Respekt für dich. Sie kritisiert nur immer wieder. Sie macht dich lächerlich, sie lacht dich aus. Sie baut sich an den Fehlern auf, die sie erkennt, die sie benennt, die du nicht kennst. Das Kind kennt keine Fehler. Was ist ein Fehler für ein Kind? Was soll das sein?

Sie sagt, das ist jetzt falsch, das musst du so doch machen, dabei spielst du mit deinen Kindersachen. Sie sagt dir, was und wie du was dann tun sollst. Sie lässt dich niemals in dir ruhen. Sie lässt nicht dich in Ruhe spielen. Sie baut mit deinen Klötzen, ein Haus mit deinen Legosteinen, sie baut mit deinen Hütchen beim Halma Wege, sie würfelt für dich eine Sechs beim Mensch Ärgere dich nicht, sie lässt dich nicht zum Zuge kommen. Sie ist die Versagerin, die dir im Grunde zeigt, dass alles was du tust, nichts ist. Sie sagt niemals das JA, das du schon einmal hörtest, als Vater deine Leistungen im Sport bejahte, du kennst ein Ja an dem Gesicht, das der, der Ja sagt, macht, du kennst das Ja Gesicht, und Mutter hat das nie gehabt. Sie hat das nein Gesicht, das dir doch sagt, dass das nicht reicht, nun wieder nicht, um doch ein Ja, endlich einmal, ein Ja von ihr doch noch zu bekommen. Sie sagt nicht ja, sie stimmt nicht zu, sie hungert dich nach diesem Ja auch aus. Das hat sie immer schon getan, sie hungert dich nur aus. Das Ja, das sie dir immer schon versagte, das wirst du nie empfangen, denn ihre Zustimmung für dich, die hast du nie empfangen. Du fürchtest dich vor ihrer Wiederkehr, dass sie auftaucht und plötzlich da ist, reinschneit in dein Tun und Leben, dass sie da plötzlich ist, und dich anschaut und sagt, das ist doch wieder nichts, da hast du wieder nur versagt. Die Furcht vor dieser Frau, die dich aushungerte, die dich nur immer wieder hungern ließ, indem sie dir die Nahrung und den Geist der Zustimmung stets immer wieder aufs Neue versagte, und dich dann immer ohne ließ, der ist in dir, solange du die Rettung siehst in deinem Tun für sie, dass endlich doch noch Zustimmung kommt, von ihr. Du wusstest nicht als Kind, was dein Mangel war, was dir von ihrer Seite immer fehlte, du konntest dieses Defizit nicht sehen und auch nicht ahnen, weil keinerlei Vergleich da war. Doch heute kannst du das erkennen. Sie ist es, die Gefühle tötet, die Freude nimmt, die Freude am Entstehen hemmt, die dich verhindert, dass du dich freust, wenn dir etwas als Kind doch glückte. Sie ist es, die du fürchtest, vor der du Angst hast, wenn sie kommt, auftaucht, um dich nur kritisch zu beäugen und zu verlachen.

Sie ist es, die du verachtest, im höchsten Maße, die vollkommene Versagerin, die dir, dem Kind, nur immer wieder beibrachte, dass nichts von alledem, was du ihr machtest, basteltest, und schenken wolltest, und auch dann gabst, in ihren Augen Geltung fand. Sie würdigt nicht, sie kümmert nicht dein Tun, deshalb ermuntert sie niemals. Versagen heiß entmutigen, und sie entmutigt dich, zu lieben und zu leben, und das zu tun, was dir nur Freude macht. Sie kann dich nicht beglücken, sie ist niemals erfreut. Sie freut sich niemals, niemals selbst. Gibt es ein Bild der Freude für dich, von ihr? Dass sie sich freut, wenn sie dich sieht. Gibt es für dich ein Bild, indem du dich mit deiner Mutter freust?

Du kennst die Freude nicht. Du hast sie nie erlebt mit ihr.

Das hast du später auch getan, die Freude hemmen, dass Freude nicht bei anderen aufkommt. Du hast das Tun der Anderen beschämt, du hast gelernt, wie man die Freude hemmt und auch zerstört. Du hast die Bilder vieler Anderer kaputt geredet, du hast die Menschen selbst verwirrt, und immer doch hast du dich selbst mit deiner Zustimmung gesucht. Du kennst den Blick der nichts verrät von sich, der nicht verraten soll, was er doch sagt: das mag ich nicht, das könnte besser sein, das noch nicht ganz so gut, das müsste noch viel reifer sein, das ist niemals genug. Der Drang zur Perfektion, ist nur Zerstörung deiner Freude an deinem Tun, dass du dich niemals freuen sollst. So hoffnungslos, wie du als Kind gewesen bist, wie sie dich machten, so hoffnungslos bist du auch gegen Andere, und du zerstörst die Hoffnung wo es geht, das hattest du gelernt.

Du weinst jetzt, wenn sie kommt, wenn sie auftaucht, in deinem Kindergarten. Du weinst so bitterlich und niemand außer dir versteht, warum du weinen musst, warum du schluchzt, warum in dir jetzt etwas bricht, warum du so verzweifelt bist, warum in dir die Seele schreit. Sie kommt und alles Glück ist wieder hin. Das ist es, was dich verzweifelt und resigniert. Sie muss dich nur anschauen und alle Freude ist dahin. Das ist die größte Macht der Angst und Furcht, dass nichts von alledem dir hilft, was du auch tust, denn wenn sie kommt, dann ist es aus für dich, dann bist du wieder nichts gewesen.

Sie hat dich ausgehungert. Den Mut, die Liebe und den Respekt vor allen Anderen vertrieben.

Das ist Versagungsangst, die Angst des kleinen Kindes, nun wieder nichts erreicht zu haben, nun wieder nichts getan zu haben, das bleibt, und auch in deinen Augen Gültigkeit bewahrt. Dass dein Gefühl auch ohne deine Mutter, die Gültigkeit behält. Sie ließ sich das nicht nehmen, dir deine Freude stets zu nehmen.

Das ist, was man verleiden nennt. Du sollst dir selbst entsagen. Und wirst entsagungsvoll.