Texte von Hugo Rupp

Den blinden Hass empfinden

 

Ich habe viele groteske und äußerst destruktive Verhaltensweisen von Erwachsenen kennen gelernt und muss leider mit ansehen, dass viele junge Menschen diese Verhaltensweisen übernehmen ohne sie zu hinterfragen. Genau das macht mir Sorgen! Weil sie sich, ihre Umgebung, die Gesellschaft damit schädigen ohne es zu merken und sich dann darüber beschweren, dass sie unglücklich sind und sie sich in dieser Welt nicht wohl fühlen.
Wo ist die Logik in diesem Verhalten?

AM: Die Logik ist klar; sie besteht in der Schonung der Eltern, der Bagatellisierung ihrer Grausamkeit und der Verleugnung der eigenen wahren Gefühle, sowie des eigenen Wissens. Um jeden Preis. Was muss denn ein Vater noch sagen als “Ich bringe dich mal um”, damit sich die Tochter als misshandelt bezeichnen darf?

Aus Leserpost: Wo ist die Logik Thursday 18 May 2006 © 2018 Alice Miller – all rights reserved.

Du kannst dich über deinen Vater nicht beschweren, weil der doch alles für uns tut.

Ich habe als Kind nie gewagt, mich über meinen Vater zu beschweren, der nur nach Hause kam und sogleich anfing mich zu schimpfen.

Das ist in meinen Knien. Beschwerden, die ich niemals äußern hatte können. Deswegen trete ich so leise auf, damit niemand auf die Idee je kommt, ich könnte mich beschweren wollen. Niemand soll denken, dass ich wütend werden kann.

Was bildest du dir ein. Sei jetzt gefälligst still. So einen Radau zu machen. Das kann ja wohl nicht wahr sein.

Für alles Unausgesprochene und nur Verschleppte, für all das Leid, das ich nicht länger fühlen wollte und verschluckte, mit meiner blinden Wut und meinem Hass auf alles und auf jeden; nur nicht auf sie und ihn.

Und später dachte ich, ich hätte Vater lieben können. Doch das ist gar nicht wahr. Ich hätte ihn nicht lieben können, denn er nahm nichts von mir und meinem Leben wahr.

Da kann man gar nichts dazu sagen. Das war halt früher so, dass man die einfach aufgehängt hatte. Und an die Wand gestellt. Was soll man dazu sagen. Das war halt damals so.

Die Schattenspenderin. Sie hat von Vaters schwerer Kindheit immer wieder mal erzählt. Dass er tatsächlich lieber in den Krieg gezogen sei, nach Russland, in die Mandschurei, und in die Kriegsgefangenschaft, weil alles besser war, als in der Heimat bei den Eltern. Das Scheitelknien und die Verbote, die Prügel, und das Schimpfen. Wie er von seiner Mutter immer auch beschimpft wurde. Und wie sie eifersüchtig war und seinen Stiefbruder bevorzugt hatte. Wie alle gegen ihn nur waren, nur seine Tante nicht, die Schwester seiner Mutter, die ihm geholfen hat, die Oma, wie ich sie später nannte. Sie hat das immer wieder mir erzählt, wie schwer es Vater hatte, und wie er dennoch was geworden war. Und wie der Krieg ihn auch nicht fertigmachen hatte können.

Deswegen sitze ich in meinem Traum in seinem Schatten auf verbranntem Rasen. Weil nichts mit meinem Leid passieren soll. Weil keine Wut daraus entstehen darf. Weil kein Gefühl für mich gedeihen soll.

Selbst schuld!

Wie neidisch ich auf andere dann war, die etwas füreinander fühlten. Die überhaupt etwas begehrten und leidenschaftlich auch verfolgten. Wie neidisch ich auf jemand war, der etwas tat und sich darüber nicht beschwerte. Wenn jemand etwas tun konnte, aus Liebe und aus Freude, und nicht aus Abscheu und Zerstörungswillen. Wie neidisch ich auf alle war, die sich beschweren konnten und nicht aus Angst danach gleich nach Vergebung suchten.

Du kannst dich nicht beschweren.

Warum ich mich nicht äußern und beschweren wollte. Warum ich nie was sagen wollte über ihn. Weil er die Not verachtet hatte. Beschwerden in den Knien. Wie ich vergeblich vor ihm kniete, gerade weil ihm das gefiel, wenn ich mich selbst erniedrigte und voller Ohnmacht war.

Ich dachte später immer nur, mich hätte Angst tyrannisiert. Mich hätte Angst fortwährend angegriffen.

Du bist doch was Besonderes für ihn!

Ich wollte nicht so sein, was Vater hasste, wehleidig, klein, und ängstlich, schwach, nur immerzu am Weinen, und selbstmitleidig.

Was ist denn jetzt schon wieder los?!

Ich wollte nicht andauernd woiseln. Inständig bitten.

Ihr sagt also, daß wir unfähig sind zu erkennen, ob es einen Gott giebt. Indessen es ist gewiß, daß Gott ist oder daß er nicht ist, es giebt kein Drittes. Aber nach welcher Seite werden wir uns neigen? Die Vernunft, sagt ihr, kann aber nichts entscheiden. Es ist ein unendliches Chaos, das zwischen uns liegt und wir spielen hier ein Spiel in dieser unendlichen Entfernung von einander, wo Kopf oder Wappen fallen wird. Was wollt ihr wetten? Nach der Vernunft könnt ihr weder das eine noch das andre behaupten; nach der Vernunft könnt ihr keins von beiden leugnen. So werfet denn nicht denen Irrthum vor, die eine Wahl getroffen, denn ihr wißt nicht, ob sie Unrecht haben, und ob sie schlecht gewählt. […]

[E]s muß gewettet werden, das ist nicht freiwillig, ihr seid einmal im Spiel und nicht wetten, daß Gott ist, heißt wetten, daß er nicht ist. Was wollt ihr also wählen? […] Ihr habt zwei Dinge zu verlieren, die Wahrheit und das Glück und zwei Dinge zu gewinnen, eure Vernunft und euern Willen, eure Erkenntniß und eure Seligkeit, und zwei Dinge hat eure Natur zu fliehen, den Irrthum und das Elend. Wette denn, daß er ist, ohne dich lange zu besinnen, deine Vernunft wird nicht mehr verletzt, wenn du das eine als wenn du das andre wählst, weil nun doch durchaus gewählt werden muß. Hiemit ist ein Punkt erledigt. Aber eure Seligkeit? Wir wollen Gewinn und Verlust abwägen, setze du aufs Glauben, wenn du gewinnst, gewinnst du alles, wenn du verlierst, verlierst du nichts. Glaube also, wenn du kannst.“

Blaise Pascal

Linkshänder können keine Schreiner werden. Wer sich nicht quält, der kann es zu nichts bringen.

Wie Vater mich mit der Verachtung strafte, so schnitt ich mir dann später selbst ins eigne Fleisch mit der Verachtung. Denn nichts hat mit mir was zu tun, sobald ich es verachten kann.

Ich ging immer und immer wieder von allen weg.

Louis-Ferdinand Celine Reise ans Ende der Nacht

Und in der Nacht im Traum schlag ich auf ihn mit einer Schaufel ein. Mit einem Spaten haue ich ihm in den Rücken. Auf dem Vorplatz seiner Werkstatt, gegenüber ist der Friedhof. Es ist tiefe Nacht und kein Licht leuchtet. Er wehrt sich nicht und gibt auch keinen Laut von sich. Kein Ton kommt ihm noch aus. Immer wieder schlage ich ihm mit der Spatenkante in den Rücken. Wortlos haue ich ihn in die Grube.

Ja es stimmt,wenn Sie schreiben,daß der Ammokläufer sich den Autoritäten untergeordnet hat ,ohne seine Gefühle und damit auch seine Verletzungen zu spüren und was Sie über diesen Fritzl schreiben,daß er seine Mutter bewundert hat, statt ihre Grausamkeit zu sehen,das habe ich auch so bei meiner Mutter gesehen. Ich habe nach Ihrer Antwort nachgedacht und konnte mich dann wieder erinnern,daß meine Mutter ihren Vater vergöttert hat und niemand etwas gegen ihn sagen durfte. Dabei war auch er grausam,machtgierig,sadistisch und schadenfroh. Ich hatte als Kind immer sehr große Angst vor ihm und war einmal über mehrere Tage bei ihm, als meine Mutter mich zu ihm brachte und kann mich noch daran erinnern, wie ich vor Angst mich nicht mal traute,mich zu rühren,auf Toillette zu gehen oder etwas zu essen.

Aus Leserbrief: Was regiert unsere Welt? Sunday 29 March 2009 © 2018 Alice Miller – all rights reserved.

Jetzt gib dem Herrn schön deine Hand. Sei freundlich zu dem Herren!

Der hatte auch so eine Hand und so gemeine, kalte Augen. Der S., der Vater meines Freundes von uns gegenüber. Der war genau so wie mein Vater. Der schlug auch seine Kinder und schüchterte sie ein. Der war im Krieg Soldat gewesen, wie Vater, und auch ein guter Kamerad.

Ihm meine Hand zu geben, was ich verabscheute, bedeutete, dass jeder mit mir machen kann, was er gerade will. Bestohlen werden, dachte ich, es kann mir jederzeit jemand was wegnehmen. Und dass mir ein Vertrauen fehlt, weil jeder mir was nehmen kann und nicht dafür bestraft würde. Deswegen hatte ich auch immer Angst, mir könnte plötzlich wieder etwas fehlen. Weil mich bestehlen kann, wer das gerade will und niemand wird ihn daran hindern. Weil ich auf mich und was mir noch gehört, selbst nicht aufpassen kann.

Jetzt gib schön deine Hand!

Erbärmlich fühlten wir uns. Und wie der Peter in den Boden schaute und seine Schultern hochzog, so wie vor einem Schlag, vor dem er sich nicht schützen darf.

Und wage nicht, die Hände vors Gesicht zu schlagen! Und untersteh dich noch ein Wort zu sagen. Ihr beiden werdet euch dort unten nicht mehr ausziehen und nackt herumspringen.

Und Peter nickte zu den Worten meines Vaters. Denn seiner musste gar nichts sagen. Er sah schon, was ihm gleich passieren würde, zuhause mit ihm dann allein. Er sah das schon voraus. Ich wusste auch, was gleich passiert, wenn Vater mit mir auch allein sein würde.

Daher weht der Wind!

Wie ich im Schlaf von fehlerhaften Zügen träumte. Die Fehler im System. Wie ich Schachzüge träumte, von Springern und von Türmen, die nicht wie Springer und wie Türme sich bewegten. Wie Züge, die ich nicht erreichte. Flugzeug, das mir wegflog. Wie ich auf Bahnhöfen nach den Geleisen suchte und sie nicht fand. Und meine Schritte langsam, viel zu langsam. Was mir nicht alles fehlte und verschwand. Verschwand im Traum auf nimmer wieder sehen. Was ich auch nie verstand. Ich träumte immer nur von Fehlern. Als wollte ich mich selbst damit ablenken.

Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich, weil die Notwehr uns allmählich zwingt, in seinen Fehler zu verfallen.

Marie von Ebner-Eschenbach

Gleich ist der Teufel los.

Ich sah nicht Furcht. Ich sah nicht Angst. Ich sah nicht Scham. Ich sah nicht Rettungslosigkeit. Ich sah nicht hilflos sein. Ich sah nicht mal Verletzlichkeit. Ich sah nur die Verachtung. Vernichtungswille gegen alles Schwache. Ich sah nicht einmal Liebe. Nur Hass im Angesicht und nicht einmal Verzweiflung. Ich sah nicht Hoffnungslosigkeit. So war es schon von Anfang an. Dann reißt er sich die Schläuche aus der Nase, flucht. Zwei Tage später ist mein Vater tot.

Wenn ich die Züge allesamt versäume. Wenn mir die Flugzeuge wegfliegen. Wenn ich die Schalter viel zu spät erreiche. Wenn ich das Abitur nicht schreibe und andere Termine nur verschlafe. Ich träume mich gar nicht davon. Ich träume mir tatsächlich etwas vor, was mir vor meinem Vater nie gestattet war, unschuldig sein und Fehler machen.

Deswegen fühle ich mich so verlogen. Deswegen bin ich so verspannt und meine Kehle zugeschnürt. Ich kann mir keine Fehler leisten. Aus Angst vor ihm, meinem Verfolger; Verfolger jeden Fehlers. Deswegen fühle ich mich schuldig.

Im Traum steh ich vor einem Tresen, und neben mir steht G., die Tochter unseres früheren Hausarztes. Ich unterhalte mich mit ihr. Wir lachen und wir scherzen. Da kommen Leute und wollen etwas kaufen. Sie fragen mich, ob das auch gute Ware sei. Ich schaue mir die Sachen an, zwei Kerzenständer und verpackte Kerzen. Ich schaue mir die Kerzen auch von unten an. Nichts ist verschimmelt, denke ich. Die sind noch gut, sag ich. Im nächsten Augenblick steht meine Mutter hinter diesem Tresen. Sie ist so jung, und sie schaut aus wie meine Schwester, nur ihre Beine sind so dick und aufgeschwemmt. Sie ist viel fülliger als früher. Sie schaut mich an und plötzlich sackt sie weg. Du kannst dich kaum noch auf den Beinen halten, sage ich. Weil er ja, fängt sie an und unterbricht.

Weil er ja …

Die Mutter hat sich über Vater immer wieder mal beschwert, wie er zu ihr gewesen sei und dass er sie so schlecht behandelt hatte. Erst jetzt geht mir ein Licht auf, was ich ihr nie gesagt und was ich ihr entgegnen hätte können.

Das bildest du dir doch nur ein. Er meint es doch nur gut. Weil er ja alles für uns tut.

Einer der sehr wenigen Anlässe, bei denen wir im Streit aneinander gerieten, war in den Vierzigern, als ich ihr erzählte, ich hätte einen Psychoanalytiker aufgesucht. Sie verurteilte das aufs heftigste und sagte, Psychoanalytiker lehren, daß „böse nicht böse ist. Aber wir wissen, das ist es.“ Ich hatte nicht bemerkt, daß mein Analytiker, ein Arzt von fast heiligem Charakter, dies tat, aber ich versuchte nicht, es zu widerlegen; wir sprachen nicht wieder davon.

Aus: Elisabeth Bishop LIEBESMÜHE: ERINNERUNGEN AN MARIANNE MOORE

Wie Vater mich zusammenschrie beim kleinsten Mucks, wie meine Mutter zitterte und mir doch unaufhörlich drohte, ihr Lachen dann wieder, und schließlich über allem die Verachtung. Die Standardantwort auf die Tränen, die Schmerzen und die Nöte und Bedürfnisse. Hinter der Furcht vor den Verfolgern, wurde die Angst vor Wahrheit immer wieder neu entfacht. Und wenn ich eines hinter allem rieche, dann ist es Angst, in allen Zimmern und den Schränken, im Keller und im guten Stuhl; in all den Dörfern und Gaststuben. Und dabei dachte ich nur an mich selbst. Spürte denn niemand sonst die Angst? Sie war doch in den Tischtüchern und Betten, über den Schweiß der Körper rausgekrochen.

Nur Narrenhände beschmieren Tisch und Wände.

Wenn ich die Stirn und früher nur die Finger gegen eine Fensterscheibe hielt, flog mir schon Hass entgegen.

Ich habe das immer als ganz besonders schlimm empfunden, weil der Junge nur durch Zufall da reingekommen ist. Ich habe das natürlich instinktiv sofort gemerkt, wie er mit einem Päckchen durch die Gegend lief. Er fragte diesen und jenen, und die Leute bemühten sich alle gar nicht sehr, um ihm zu helfen. Einer zeigte bloß auf die Polizeiwache.

Ich hielt den Wagen an und stieg aus und dachte: Mal gucken, ob er zur Wache geht. Da setzte er einen Fuß rein, und ich denke: Na -? Er setzt den Fuß wieder raus und geht weiter, und dann nach vielleicht hundert Metern habe ich ihn dann angesprochen.

Er humpelte. Er konnte nicht mehr richtig laufen. Ich habe den Jungen nicht direkt mit in die Höhle genommen. Ich habe irgendwo im Wald angehalten und habe den Jungen gezwungen, sich ganz nackt auszuziehen. Ich habe ihn dann gefesselt und vorne rechts im Wagen liegenlassen. Dann habe ich ihn in die Höhle reingetragen und da umgebracht. Das war Peter Fuchs.

Aus: Paul Moor Das Selbstporträt des Jürgen Bartsch

Der jede Art von böser Absicht von sich weist.

Was macht denn der?

Was lehrt denn der?

Was brachte mir denn Vater ununterbrochen bei, mit Unterstützung meiner Mutter?

Nur jede Absicht von sich weisen. Als wäre das ein Muss. Als gäbe es gar keine Wahl und keine andere Möglichkeit, so mit sich umzugehen.

Wenn Vater kommt, bin ich schon innerlich in Aufruhr. Weil er mit einer Absicht kam, jemandem weh zu tun, der schwächer war als er.

Was fehlt denn deinem Sohn?

Wir zitterten schließlich vor jeder Frage. Wie Mutter mir das immer wieder vorgemacht hatte, wenn Vater näher kam, und sie sich wegduckte, und wenn er dann was sagte, dann zog sie ihre rechte Schulter nach. Sie sagte später immer nur, ihr Schwindel käme von den Halswirbeln.

Strafe muss sein.

So hatte sich das angefühlt.

Strafe muss sein.

Das widerlichste und abscheulichste, was es nur geben kann. Weil nichts davon gut wird. Weil nur mehr Hass daraus entsteht.

Strafe muss sein. Darum ging es die ganze Zeit, dass ich davon nicht mehr loskam. Ich wünschte mir, wie er, dass jeder Fehler gleich bestraft würde.

Was schaustn so bled?!

Ich musste das Bestrafen einfach lernen. Die Sprache der Verfolger.

Geh weg. Schau dass du in dein Zimmer kommst. Ich kann dich nicht mehr sehen.

Die Sprache der Verfolgung, die sprach sich in mir selber. Sie war zur Auslöschung gedacht.

Für mich war alles schließlich Absicht. Weil alles was geschah, für mich im Grunde strafbar war. Und dabei wusste ich selbst nicht, dass ich das war, der das bestimmte und veranlasst hatte.

Ich merkte selber nicht, dass ich in allen Dingen und Geschehnissen fehlende Liebe diagnostizierte, Abwesenheit von Unschuld sah. Ich merkte nicht, dass ich das war, der keine Liebe in sich trug und deswegen auch keine Nachsicht üben konnte. Ich merkte nicht, dass ich das war, der schließlich alles schlecht machte.

Dass ich das bin, dass ich das schließlich war, der alles nur schlecht macht.

Wer Schwache und Verletzte nur schlecht macht.

Dein Vater meint es doch nur gut! Hör jetzt zu weinen auf!

Wenn er mich immer wieder attackierte, was ich dabei empfand, tatsächlich Angst um meine Seele.

Erst jetzt verstehe ich, dass jeder Mord, auch einen Seelenmord darstellt, als unbewusste Absicht.

Er meint es doch nur gut!

Der meine Seele mordet.

Gedroschen sind die Sterne,

und aus ihren Hülsen sind gedroschen Seelen.

William Blake

Die Seele war nicht schlecht gemacht, um mich zu schützen; mit Kinderwut und Kindeszorn. Nur was mein Vater mir antat, indem er sie mir schlecht machte, hat mich fast umgebracht und meinen Hass entfacht.

Pass auf, dass du jetzt keinen Fehler machst.

Ich hatte immer das Gefühl, ich würde nie was richtig hinkriegen. Nichts von mir würde gut genug sein können.

Schämst du dich nicht!

Und plötzlich merke ich, wie ich von seinem Hass abhängig war.

Wie der mich stehen lassen konnte und einfach abservieren, als hätte er von mir genug, als würde er mich gar nicht kennen, als wäre ich ihm nur ein Fremder. Endlich verstehe ich die Fähigkeit, mich zu entledigen, jemanden abzustoßen, die Art von Grausamkeit, die mich beherrscht hatte und die ich selbst auch dann beherrschte. Was mich als Kind zutiefst verletzt hatte, wenn er mich stehen ließ und einfach ging, als wäre ich zu schlecht, als würde ihm von mir nur immer wieder schlecht werden.

Mir wird schon schlecht, wenn ich dich nur ansehe.

Das waren keine Fehler, die mein Vater kritisierte, das waren keine Ratschläge, die er mir immer wieder gab. Das waren keine gut gemeinten Hinweise.

Lass mich dir eines noch im Guten sagen!

Da war nichts gutes an der Art, wie er mich immerzu ermahnte.

Dein Vater meint es doch nicht böse.

Mein Vater meinte es nicht gut.

Er machte mich nur immer wieder schlecht. Er machte mich, vor allen, immer wieder schlecht. Und so verzog ich meine Wut und meinen Zorn auf ihn. Weil ich mich immer noch davor gefürchtet hatte, etwas nur schlecht machen zu können. Und wieder nur dafür bestraft zu werden.

Hör mir gefälligst zu. Ich will dir doch nur helfen!

Ich traute meinen Augen nicht, wie ungerührt mein Vater war, wenn er mich schlecht machte und danach lächelte. Ich konnte nichts dagegen tun.

Verstehst du nicht, was deine Mutter damit sagt!?

Es ging gar nicht um Liebe. Es ging gar nicht darum, dass ich beweisen sollte, dass ich meine Eltern liebte. Ich sollte sie nicht hassen. Das wollten sie von mir. Dass ich sie niemals hassen würde.

Jetzt weiß ich endlich, was das ist, und was das war, mein Husten und mein Schleimen, mein Spucken und den Rotz aufziehen, mein aus dem Fenster spucken in der Schule und Zuhause, mein in die Nase ziehen und in die Nebenhöhlen blasen, mein Zahnweh und mein Ohrendruck, mein Augenschmerz, der blinde Hass, der nie bewusst sein durfte gegenüber meinem Vater.

Er ist doch schließlich dein Vater.

Was mich so bremste und verzweifelt hat, was doch so gut wie jeder mir empfahl und immer wieder zu Bedenken gab.

Ich wollte gar nicht meine Liebe für ihn unterdrücken. Den Hass, den ich in seinen Augen sah, den sahen mir die andern an. Den Hass auf einen solchen, der alles nur schlecht macht. Deswegen ging es mir so schlecht, nicht weil zu wenig Liebe in mir war, sondern zu viel an Hass.

Du solltest das alles mal aus einer anderen Perspektive sehen.

Was für ein niederschmetterndes Gefühl das ist, jemanden nicht zu hassen, der doch nichts anderes wie meinen Hass verdient. Und wie erlösend das Gefühl, dass dieser Hass nicht nur berechtigt ist, sondern auch immer schon berechtigt war. Nur wollte niemand davon etwas spüren und vernehmen.

Die Wahrheit ist, dass erst mein Hass auf ihn, die Liebe für mich selbst befreit. Dass erst mit meinem Hass auf ihn, die Liebe für mich reift.

Wenn du selbst einmal Vater bist, dann wirst du mich verstehen. Wenn du erwachsen bist.

Dann wirst du deinem Vater dankbar sein. Was dir erspart geblieben ist, dank ihm.

Wir hatten nicht die Möglichkeiten, die du hast. Ich war im Krieg und in Gefangenschaft. Ich konnte mir nicht aussuchen, was ich aus meinem Leben mache.

Du hast doch schließlich alles, was du brauchst.

Ein schlecht gemachtes Kind, wie ich, braucht immerzu Beweise, weil es nicht an sich glaubt, solange es den Hass auf sich noch deckt, mit Selbstbeschuldigungen und Selbstzweifeln.

Du bist doch nicht ganz richtig!

Ich suchte nach Beweisen, selbst gegen meine stummen Schreie, und wusste das nicht mal.

Wie lange meinst du, dauert das, bis du dich wieder beruhigt hast?!

Wie lange meinst du, soll das noch so weitergehen?!

Mir wurde schlecht, wenn was zu lange dauerte.

Ist das noch immer nicht vorbei!?

Ich dachte immer nur, ich hätte keine Zeit. Ich müsste immer gleich etwas beschließen und dann gleich wieder abschließen. Das ist, wenn man sich selbst schlecht macht und immerzu beschuldigt.

Selbst schuld!

Ich wette, du weißt gar nicht, was du hast!? Warum du hier so rumschreist.

Erst jetzt verstehe ich, dass ich nicht einen Fehler machen kann, der keinen Hass für mich bedeutet. Als hätte ich tatsächlich das verdient, was er mir angetan hatte.

Das war die Absicht, die ich mit der Strafe lernte. Dass alles, was geschieht und mir zustößt, mir wirklich auch zustehen würde. Dass alles, was mit anderen geschieht, mir auch zusteht und blüht; als wäre das vorherbestimmt.

So funktioniert die eigne Grandiosität.

Egal, was ich den anderen antue und zufüge, sie haben es verdient.

Wie ich als Kind beinah ertrunken bin, sagte mir meine Todesangst, ich hätte nur nicht in den Fluß, den Inn, springen sollen. Wer diesen Fehler aber macht, muss notfalls mit dem Tod bezahlen und auch rechnen. Das sagte mir die Todesangst, die Vater immer schlecht gemacht hatte. Und mich hat sie auch schlecht gemacht. Weil ich damit auch dachte, dass schließlich jeder seinen eignen Tod verdienen würde.

Was ich auf mich bezog, und immer wieder auf die anderen auch schob. Ich würde Seligkeit nie wieder finden, solange ich ihn hasste. Ich würde meine Schuldigkeit nie wieder ablegen, solange ich den Vater hassen und verachten würde.

Wenn ich den aber ehren und den achten soll, der mir wehtut, mich schlechtmacht und erniedrigt, dann lerne ich mich hassen. Wenn ich was achten soll, das ich nicht haben will und als Kind auch nicht tue, dann lerne ich Unschuld bestrafen.

Das hast du dir selbst eingebrockt. Sieh zu, wie du allein aus dem Schlamassel kommst!

Das falsche Wissen, das ich übernahm: Ich kann kein mildes Urteil über jemand fällen, geschweige denn, nachsichtig sein. Genauso unnachgiebig wie mein Vater. Ich musste einfach jemandem wehtun.

Ich musste jemandem wehtun. Mir selbst, oder einem anderen. Ich musste mich ja von der Schuld andauernd überzeugen. So stellte ich Vertrautheit her, mit Vaters Art und Sprache; Feindseligkeit und blinder Hass, damit vertraute ich ihm.

Verbunden mit der Grausamkeit und blindem Hass auf alle Fehler.

Damit bewies ich mir, dass ich schlecht war und nicht unschuldig. Dass Vater mich nicht schlecht gemacht hatte und meine Mutter auch daran unschuldig war. Mit meinem blinden Hass und meinem Schuldgefühl bewies ich ihre Unschuld und meine Schuld.

Ich hab mir nichts getan!

Als würde ich mir selbst das immer wieder einsagen, was Vater mir gepredigt hat.

Was schaust du mich so an?! Ich hab dir nichts getan.

Im Traum seh ich den Vater mit dem Gerstenkorn am Aug, wie er mich anstarrt und ohne einen Funken Wiedersehensfreude. So sehen wir uns beide also wieder.

Soviel an blindem Hass, weil ich ihn niemals wirklich hassen konnte. Denn niemand, den ich kannte oder kennenlernte, hat sich dazu bekannt, wie sehr er einen Vater hasst, der ihn verachtet und schlechtmacht.

Wenn ich aus Träumen voller Tränen aufwachte und fieberte und meine Arme und die Beine suchte. Als hätten sie mich umgebracht, Gliedmaßen abgehackt, gevierteilt; und meine Seele ohne Schreie.

Was habe ich versucht, den blinden Hass des Vaters zu vertreiben.

Was kommt denn dabei raus. Unter dem Strich, für mich?!

Dass jemand, der seinen Hass auf blinden Hass endlich entwickeln kann, sich nie mehr davor fürchten muss, dass blinder Hass ihn schüttelt, beutelt und verrückt macht, wie ein Huhn. Wenn ich vor Zorn und Wut aus meiner Haut fuhr.

Dann hat er mich geschüttelt. Was so Jahrzehnte lang in mir lag. Der Schwindel, wenn ich liege und nach links blicke. Rechts von mir lag im Bett die Mutter. Zur Linken lag mein Vater. Und blinder Hass. Druck unter meinem rechten Schädelansatz. Erst jetzt verstehe ich den Schmerz, wenn ich mich bücke und mein Gesicht mit Wasser wasche.

Vor ihm bin ich nur immer wieder abgetaucht. Dass er mich nicht mehr findet, dass er mich nie mehr wieder schüttelt, dieses Schwein. Vor seinem blinden Hass bin ich nur immer wieder abgetaucht. Den Hass auf ihn, den sollte ich nicht finden und herzeigen.

Das bildest du dir doch nur ein!

Ich sollte immer was erfinden, was meinen Hass auf ihn vertreibt.

Und immer auf der Suche nach dem wahren Schein. Und immer auf der Suche nach dem wahren Selbst. Auf meiner Suche nach dem Wahren. Der grandiose Scheiß!

Auf meiner Suche nach dem wahren Vater, kam bei mir Hass heraus und die authentischen Gefühle, die eines Kindes, das ich einst war. Endlich Erlösung von den falschen Lehren. Ihn sollte ich nicht hassen, der mich schlechtmachte und so entwürdigt hatte.

Auf meiner Suche nach dem wahren Vater.

Endlich ist auch mein stummes Leiden unter ihm Vergangenheit. Endlich ist meine eigne Grandiosität vorbei. Die Suche nach dem wahren Selbst, ist endlich jetzt für mich zu Ende.