Im Traum gehe ich lautlos über einen Rasen, an einem Haus vorbei, und es ist nicht mehr Nacht, jetzt ist ein neuer Tag, und die Fassade ist aus Glas, und alles ist jetzt sichtbar, ich kann in dieses Haus hineinsehen, die Vorhänge sind aufgezogen. Und da rennt eine Dogge, ein riesengroßes Tier, mit einer Faschingsmaske auf dem Kopf, darauf ein menschliches Gesicht, grotesk gemalt, mit bösen, gelben Augen und einem ungezogen schiefen Mund, gerade auf mich zu. Und ich bleib einfach stehen. Die Mutter hat den Hund an ihrer Leine, sie hält ihn aber nicht zurück.
Wenn du mich einmal noch mit deinen Fingern schmutzig machst, dann kriegst du gleich eine Watschn, die sich gewaschen hat.
Noch siebenundfünfzig Jahre später kann ich das an mir spüren.
Das bildest du dir doch nur ein!
Weil meine Angst vor ihrem böse werden immer wieder kam.
Vor etwa einem Jahr hatte ich in einer Zeitschrift einen Artikel von ihm gelesen, der mit einem gewaltigen Anspruch auf naivste Poesie und auch noch Psychologie abgefaßt war. Er schilderte darin den Untergang eines Dampfers, irgendwo vor der englischen Küste, den er als Augenzeuge erlebt und dabei gesehen hatte, wie Ertrinkende gerettet und Ertrunkene geborgen wurden. Dieser ganze Artikel, ziemlich lang und weitschweifig, wie er war, diente einzig allein der Selbstdarstellung. Man konnte förmlich zwischen den Zeilen lesen: „Schaut doch mich an,es geht doch in diesen Minuten um mich! Was kümmert euch dieses Meer, der Sturm, die Felsen, das Schiffswrack? Dies alles habe ich euch schon hinlänglich mit meiner kraftvollen Feder geschildert! Wieso schaut ihr euch diese Ertrunkene mit dem toten Kind in den toten Armen an? Schaut doch lieber mich an, wie ich, von diesem Schauspiel überwältigt, mich von ihnen abwende! Da, ich wende ihnen den Rücken zu; da, ich bin entsetzt und bringe es nicht über mich, einen Blick zurückzuwerfen; ich schließe die Augen – sehr interessant, nicht wahr?“ Als ich Stepan Trofinowitsch von dem Eindruck erzählte, den Karmasinows Artikel auf mich gemacht hatte, stimmte er mir zu.
Als bei uns vor kurzem verlautete, Karmasinow werde kommen, verspürte ich natürlich den brennenden Wunsch, ihn zu sehen und, wenn möglich, kennenzulernen. Ich wußte, daß Stepan Trofinowitsch mir dazu verhelfen könnte; die beiden waren einst befreundet gewesen. Und plötzlich begegnete ich ihm an einer Kreuzung. Ich erkannte ihn sofort, man hatte ihn mir schon vor drei Tagen gezeigt, als er mit der Gattin des Gouverneurs in einer Equipage vorüberfuhr.
Er war ein nicht mal mittelgroßer, etwas affektierter alter Herr, übrigens nicht älter als fünfundfünfzig, mit roten Bäckchen, silbergrauen Löckchen, die unter einem runden zylinderartigen Hut hervorquollen und sich um seine sauberen rosigen Öhrchen ringelten. Das saubere Gesichtchen war nicht gerade schön, mit schmalen, langen, listig verkniffenen Lippen, einer ziemlich fleischigen Nase und stechenden, klugen Äuglein.
Er war irgendwie altväterlich gekleidet, in einen ärmellosen Umhang, wie er in dieser Jahreszeit irgendwo in der Schweiz oder Norditalien am Platz gewesen wäre. Aber wenigstens die Accessoires seines Kostüms: Manschettenknöpfchen, Krägelchen, Knöpfchen, die Lorgnette aus Schildpatt an dem schmalen schwarzen Bändchen und der Ring am Finger waren ohne Zweifel ganz so, wie es sich für Menschen von makellosem Geschmack geziemt. Ich bin überzeugt, daß er im Sommer unbedingt irgendwelche farbigen Prünellstiefelchen mit Perlmuttknöpfchen an der Seite zu tragen pflegte. Als ich ihm entgegenkam, war er gerade an einer Straßenecke stehengeblieben und sah sich aufmerksam um. Sobald er bemerkte, daß ich ihn neugierig beobachtete, fragte er mich mit einem honigsüßen, obzwar ein wenig schrillen Falsett:
„Erlauben Sie, wie komme ich am schnellsten zur Bykow-Straße?“
„Zur Bykow-Straße? Das ist hier, ganz in der Nähe“, rief ich außerordentlich aufgeregt. „Immer geradeaus und dann die zweite Straße links.“
„Verbindlichen Dank.“
Verwünschter Augenblick: Ich wurde verlegen und machte, wie ich glaube, ein serviles Gesicht! Er hatte sofort alles bemerkt und selbstverständlich auf der Stelle alles verstanden – das heißt, er hatte verstanden, daß ich wußte, wer er war, daß ich ihn seit meiner frühesten Kindheit las und bewunderte, daß ich jetzt verlegen war und ein serviles Gesicht machte. Er lächelte, nickte mir noch einmal zu und ging geradeaus weiter, wie ich es ihm gezeigt hatte. Ich weiß nicht, warum ich umkehrte und ihm folgte; ich weiß nicht, warum ich zehn Schritte neben ihm herlief. Plötzlich blieb er wieder stehen.
„Und können Sie mir vielleicht sagen, wo hier die nächsten Droschken zu finden sind?“ hörte ich wieder das schrille Falsett.
Ekelhaftes Schrillen; ekelhafte Stimme!
„Droschken? Die nächsten Droschken … an der Kathedrale, dort stehen sie immer.“
Es fehlte nicht viel, und ich hätte mich auf der Stelle umgedreht, um nach einer Droschke zu laufen. Ich vermute, daß er gerade damit gerechnet hatte. Selbstverständlich besann ich mich sofort und blieb stehen, aber er hatte meine Bewegung sehr wohl bemerkt und beobachtete mich mit demselben ekelhaften Lächeln. Und da geschah etwas, was ich niemals vergessen werde.
Plötzlich ließ er einen winzigen Sac-de-voyage fallen, den er in der linken Hand getragen hatte. Es war übrigens kein Sac, sondern ein Köfferchen oder vielmehr ein kleines Portefeuille oder noch eher ein Ridicul der Art, wie sie die Damen in der guten alten Zeit zu tragen pflegten. Ich weiß übrigens nicht genau, was es war, ich weiß nur, daß ich mich schon anschickte, es aufzuheben.
Ich bin absolut überzeugt, daß ich es nicht aufgehoben habe, aber meine erste Bewegung war nicht zu verkennen gewesen, ich konnte sie nicht rückgängig machen und wurde rot wie ein kleiner dummer Junge. Der alte Fuchs gewann sofort der Situation alles ab, was abzugewinnen war.
„Bemühen Sie sich nicht, ich kann es selbst“, sagte er charmant, das heißt, als er völlig sicher war, daß ich sein Ridicul nicht aufheben würde, hob es auf, als wollte er mir zuvorkommen, nickte mir noch einmal zu und ging seines Wegs. Ich stand als Tölpel da. Es war gerade so, als ob ich es aufgehoben hätte. Gute fünf Minuten lang hielt ich mich für immer und gründlich blamiert; aber als ich vor Stepan Trofimowitschs Haus stand, mußte ich plötzlich laut lachen. Diese Begegnung kam mir nun so komisch vor, daß ich sofort beschloß, Stepan Trofimowitsch mit einem Bericht davon zu erheitern und ihm die ganze Szene sogar in figura darzustellen.
Fjodor Dostojewskij Böse Geister
Wie meine Mutter mir das immer wieder vorgemacht, vorzelebriert hatte, wie gut sie mich beherrschen kann.
Mein Gott, bist du empfindlich. Ich wünschte mir, du würdest nicht gleich alles so ernst nehmen!
Die eigne Freude am Zerstören steht jetzt an. Die Freude am Zerstören von Nähe, Liebe und von Mitgefühl. Wie Freude an der eigenen Zerstörung.
Der Geist von ihr, der nie zu Hilfe kam.
Sie hat mich parfümiert und Salbe in mich rein gerieben, damit sie mich nicht riechen kann. Sie wollte mich nicht riechen. Ich dachte immer nur, sie hätte mich nicht riechen können.
Vielleicht war dieser Blick über die Maßen hart, vielleicht drückte er Ekel, sogar eine schadenfrohe Lust an ihrem Entsetzen aus – falls die erwachende Marja Timofejewna dies nicht geträumt hatte. Jedenfalls zeigte sich nach einem minuntenlangen Abwarten auf dem Gesicht der armen Frau plötzlich ein grenzenloses Entsetzen; es verzerrte sich wie im Krampf, sie hob ihre zitternden Hände und brach plötzlich in Tränen aus, genauso wie ein erschrockenes Kind; noch einen Augenblick, und sie hätte laut geschrien. Aber der Besucher kam zu sich: Sein Gesicht veränderte sich augenblicklich, und er trat an den Tisch mit einem freundlichen und liebenswürdigen Lächeln.
„Ich bitte um Verzeihung, Marja Timofejewna, ich habe Sie durch mein plötzliches Erscheinen erschreckt, Sie hatten geruht“, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.
Der Klang der liebenswürdigen Worte verfehlte seine Wirkung nicht, das Entsetzen legte sich, obwohl sie immer noch ängstlich blickte, sichtlich bemüht, irgendetwas zu verstehen. Ebenso ängstlich streckte sie ihm auch die Hand entgegen. Endlich spielte ein Lächeln schüchtern um ihre Lippen.
„Guten Tag, Fürst“, flüsterte sie, indem sie ihn irgendwie eigenartig musterte.
„Sie haben wohl einen bösen Traum gehabt?“ Er lächelte immer freundlicher und liebenswürdiger.
„Und woher wissen Sie, daß ich gerade davon geträumt habe?“
Und plötzlich begann sie wieder zu zittern, fuhr zurück, hob wie zur Abwehr die Hand, bereit, von neuem in Tränen auszubrechen.
Fjodor Dostojewskij Böse Geister
Die Freude am Entsetzen eines kleinen Kindes. Die Freude meiner Mutter, wenn ich sie doch was fragte. Wie dankbar ich dann war, wenn sie von sich aus Hilfe mir anbot und Vater für mich fragte, ob er mir vielleicht was nicht verbieten würde. Und wie ich mich verachtet habe, nach jedem Mal. Wie mich die Geister quälten, die ich scheinbar rief. Als wäre was in mich gefahren, was sich das böse werden wünschte.
Mach nicht so ein Gesicht!
Warum?
Damit er nicht mehr traurig ist, wenn du so böse bist, sagt sie.
So hielt ich mir das immer wieder vor. Wie Mutter mir das vorgehalten hatte. Dabei hab ich gar nicht gemerkt, wie sie mich angelogen hat. Ich habe Vater niemals Trauer suchen und empfinden sehen. An keinem Tag, zu keinem Zeitpunkt, niemals.
Freu dich doch endlich einmal. Wir kaufen doch für dich was ein!
Wenn Vater hilfsbedürftig war, wurde er böse. Ich habe ihn im Krankenhaus besucht, zwei Tage später war er tot. Als er mich sah und merkte, wie ich ihn anschaute, wie elend er aussah, wie schlecht es ihm in meinen Augen ging, riss er sich den Schlauch mit Sauerstoff von seiner Nase.
Wie er mich immer wieder früher angefahren hatte, als ich noch etwas wollte. Als ich mal seine Hilfe brauchte bei meinen Hausaufgaben, wurde er böse und gehässig.
Er hasste Hilfsbedürftige, er hasste Hilfsbedürftigkeit, er hasste es, wenn jemand angewiesen war, wenn jemand Hilfe nötig hatte. Wenn ich da stand und nicht mehr weiter wusste, wenn ich verzweifelt war und nur mehr husten konnte, dann wurde Vater richtig böse.
Das hat die Mutter schon gewusst und ausgenutzt. Sie wusste, wie er sich benahm, wenn jemand ihn um Hilfe bat.
Mich hat mein Stiefvater auf Scheiteln in der Ecke knien lassen.
Die Hilfsbedürftigkeit machte ihn unausstehlich.
„Ich weiß gar nicht, warum bin ich hierhergekommen?“ sagte er angewidert und sah dabei Tichon in die Augen, als erwarte er von ihm eine Antwort.
„Sie fühlen sich auch nicht ganz wohl?“
„Ja, ich fühle mich unwohl.“
Und plötzlich begann er zu erzählen, allerdings in ganz kurzen und abgerissenen Sätzen, so daß einiges kaum zu verstehen war, daß er von einer Art Halluzination heimgesucht werde, vor allem nachts, und daß er manchmal neben sich ein boshaftes Wesen sähe oder spüre, ein spöttisches und „intelligentes“, mit „jeweils verschiedenen Gesichtern und verschiedenem Charakter, aber es ist immer ein und dasselbe, und jedesmal werde ich wütend …“
Absurd und verworren, wie diese Bekenntnisse waren, schienen sie wirklich von einem Geisteskranken zu stammen. Aber bei alledem sprach Nikolaj Wsewolodowitsch mit einer derart sonderbaren, an ihm nie beobachteten Offenheit, mit einer solchen ihm keineswegs eigenen Treuherzigkeit, daß man glaubte, der frühere Mensch wäre in ihm plötzlich und unvermutet gänzlich verschwunden. Er scheute sich nicht, jene Furcht offen zu zeigen, die ihn erfaßte, sobald er von seinem Gesicht zu sprechen begann. Doch alles dauerte nur einen Augenblick und verschwand ebenso unvermittelt, wie es gekommen war.
Fjodor Dostojewskij Böse Geister
Wenn jemand später Hilfsbedürftigkeit mir zeigte, dann wurde ich auch böse, denn immer dann erwachte dieses Kind, das ich nicht sein durfte.
Je hilfloser ich wurde, umso böser wurde ich. Besoffener und hilfloser und böser.
Treuherzigkeit wurde zerstört mit böse werden auf mein Flehen und mein Bitten. Treuherzig sein verschwand mit böse werden. Ich selbst begriff nicht mehr, dass ich mit meiner Wut, der Wut des kleinen Kindes, nie wirklich böse gewesen war.
Ich war treuherzig und ich wollte das auch sein. Ich wollte mir selbst glauben können.
Bitte nicht böse werden! rief ich stattdessen in mir aus. Bitte nicht wieder böse werden! Ich redete mir immer wieder so gut zu.
Jetzt sind wir wieder gut! Jetzt ist doch alles wieder gut.
Für meine Eltern wollte ich zufrieden sein, dabei bewegte mich ihr böse sein, ihr immer wieder böse werden.
Ein Kind, das Liebe kennen lernt, kann gar nicht böse sein. Denn es darf wütend werden, wenn es gequält wurde.
Wir sind, was unsere Gefühle sind, und nicht, was andere darüber denken.
„Auch den Stawrogin hat die Idee gefressen.“ Kirillow, der mit finsterem Gesicht im Zimmer auf und ab schritt, schien Pjotr Stepanowitschs Bemerkung zu überhören.
„Wie bitte?“ Pjotr Stepanowitsch spitzte die Ohren. „Was für eine Idee? Hat er Ihnen selbst etwas gesagt?“
„Nein, ich bin selbst dahintergekommen: Wenn Stawrogin glaubt, so glaubt er nicht, daß er glaubt. Und wenn er nicht glaubt, so glaubt er nicht, daß er nicht glaubt.“
Fjodor Dostojewskij Böse Geister
Was hatte ich für eine Angst den Vater anzurufen, nach seinem Herzinfarkt. Ich dachte immer nur, ich hätte Angst, dass Vater sterben kann, doch ist das gar nicht wahr. Ich hatte Angst ihn nur zu fragen, wie es ihm ginge. Ich hatte Angst vor einem Wutausbruch, vor seinem Zorn, verletztem Stolz, dass ausgerechnet ihn ein Leiden treffen kann, dass ausgerechnet ihn das Schicksal oder Gott oder ein Zufall treffen musste und bestraft
Was ist denn jetzt schon wieder los. Muss ich mich denn um alles kümmern. Kruzifix, sakrament, kruzifix, noch einmal.
Was wäre erst gewesen, wenn Mutters Leine nicht mehr existierte. Dass er ganz einfach auf mich losgeht und ungebremst noch böser wird. Sie hatte mir damit gedroht, ihn auf mich loszulassen.
Die bösen Geister fahren endlich wieder in die Säue, die meine Eltern für mich waren.
Jetzt sind wir wieder gut?
Der Abstand, die Distanz, die zwischen mir und meinen Eltern war, wie auch zu jedem anderen dann später. Wie eine unsichtbare Mauer oder eine Grenze, mit einem unsichtbaren Zaun. Wie eine Welt aus Glas, aus gläsernen Verschlägen.
Jetzt is aber gut!
Ich sollte meine Wut doch immer nur bereuen. So dachte ich, ich wäre böse.
Ich musste glauben, dass meine Wut in mir nicht gut sei.
Du wirst noch an mich denken!
Mein Traum von Anfang an. Die Aussicht auf die Zukunft, die ich bei meinen Eltern haben würde. Die Aussicht auf mein zukünftiges Leben. Mein Traum schaut mich jetzt an.
Jetzt freu dich nicht zu früh!
Den Blick von Liebenden, mit Zuversicht und Freude, den hielt ich später nicht mehr aus. Die Darstellung von Zuversicht und Optimismus. Wenn jemand vor mir stand und einfach ungezwungen lächelte, wenn jemand an sich Glauben und Gefallen fand, dann machte mich das rasend. Mich machte dargestellte Liebe immer nur nervös.
Ich war wie meine Mutter, die vor dem Fernseher bei jeder Andeutung von Zärtlichkeit nervöser und nervöser wurde.
Bei einem Kuss wurde sie böse.
Jetzt frisst er sie gleich auf!
Wie meine Mutter war ich da und wusste es nicht mal. Mit Freude am Zerstören.
Die Angst beim Öffnen meines Briefkastens. Wie lächerlich, dachte ich. Warum soll immer nur was Schlechtes darin liegen, nur Schlechtes zu mir kommen und passieren. Die Angst davor, es könnte immer nur was Schlechtes in der Zukunft liegen und da sein.
Nicht einmal als die Eltern tot und nur mehr Geister waren, fand ich Gefallen an der Zukunft.
Nicht wütend werden konnte ich, weil keine Zuversicht mehr in mir war. Weil ich nicht daran glaubte, dass ich was wieder gut, was Gutes machen könnte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Optimismus
Hirnforschung
Magnetresonanztomographische Untersuchungen zeigten, dass bei Optimisten zusätzlich zu drei Gehirnregionen, die autobiografisches Wissen speichern, die Amygdala und der Gyrus cinguli überdurchschnittlich aktiv sind. Bei Depressionen wird eine Störung der neuronalen Pfade zwischen den beiden im fMRT gefundenen Gebieten vermutet.
Die Dogge, mit dem schiefen Grinsen, die war ich selbst.
AM: Wenn ich ihre Beiträge lese, sehe ich immer ein Kind, das ganz alleine steht und misstrauisch schweigt. Dabei ist anzunehmen, dass Sie nicht immer so sprachlos dastanden. Aber ihre Seele schwieg, es gab keine Kommunikation.
Das Kind muss Fragen stellen können, es möchte seine Gefühle verstehen, verstehen, weshalb es traurig, wütend oder verängstigt ist. Doch schon die ersten Versuche, sich mitzuteilen, können an Mauern abprallen, wenn die Eltern ihre Gefühle nicht leben und von ihnen getrennt sind. Statt mit dem Kind nach SEINEN Antworten zu suchen, wehren sie die Fragen des Kindes ab, bestrafen es womöglich oder geben konventionelle Antworten, wie die Religion sie vorschreibt. So bleibt das Kind von unbewussten Eltern mit seinen Fragen allein, fühlt sich schuldig, die Eltern verärgert zu haben,versteht seine Fragen nicht und kann sie im besten Fall wieder finden, wenn es als Erwachsener den Zugang zu seinen Emotionen gefunden hat.
Antwort auf Leserbrief: Unbewusste Eltern Tuesday 08 December 2009 © 2017 Alice Miller all rights reserved
Jetzt merke ich, wie ich von meiner Mutter abgestoßen war. Wie mich ihr böse sein als kleines Kind abstieß. Wie widerlich sie war. Dass ich sie nicht mehr riechen wollte und wegstieß.
AM: Ja, „sie ließ sich das nicht nehmen, dir deine Freude zu nehmen“. Ich meine, dass dies eine wichtige Entdeckung ist, sie sollte nicht mit anderem zugedeckt werden.
Antwort auf Leserbrief: Die Freude nehmen Wednesday 25 November 2009 © 2017 Alice Miller – all rights reserved
Jetzt hör auf mich so zu löchern, sonst werde ich noch richtig böse. Du weißt, was dann passiert!?
Ich konnte nichts aus ihr herausbekommen. Ich konnte ihr das niemals nehmen, dass sie mir meine Freude nahm und sich tot stellte.
Je mehr ich von ihr haben wollte, desto böser wurde sie.
Je mehr ich von ihr wissen wollte, desto böser wurde sie.
Ich konnte nichts aus ihr herausbekommen.
Mein Alptraum war, dass ich das nicht aus mir wieder herausbekommen würde. Nie wieder wegbekommen würde, wie eine Maske im Gesicht, wie eine Tätowierung im Gesicht, die nur die anderen erschreckt, solange ich nicht einen Spiegel dafür finde. Dass ich für immer böse sein müsste, nie wieder gut, wenn ich nicht auf sie hörte, wenn ich nur einmal noch auf meine Mutter wütend bin.
Das Schlittschuhlaufen mit dem Hans. Die Mutter hat uns Schlittschuhlaufen beigebracht. Dem Hans und mir. Und Hans war vor uns da und rannte voller Freude übers Eis. Er hatte sich die Schlittschuhe nur leicht gebunden und stand da einfach drin und rannte übers Eis. Und lachte unentwegt und ganz besonders, als er mich kommen sah, wie ich in meinen festgebunden Schlittschuhen, unsicher, wackelig und ängstlich war. Und Mutter lachte dabei unentwegt und amüsierte sich, wie Hans, die Kufen seiner Schlittschuhe nicht auf dem Eis, er rutschte seitlich auf dem Leder. Er lief ganz einfach übers Eis. Ich aber hatte Angst, mir meine Hose und die Jacke nass zu machen. Ich hatte Angst vor Stürzen und aufs Knie zu fallen. Dass meine Hose dreckig wird. Dass ich die Kleidung ramponiere. Ich hatte Angst, dass Mutter mich zuhause dann beschimpfen würde, von wegen dreckig, dreckig machen, schlechtes, undankbares Kind. Das blieb dem Hans erspart. Das böse, immer nur das schlechte Kind sein zu müssen. Sie lachte über Hans dann später noch und sie erzählte es dem Vater. Der lachte auch. Sie hatten ihren Spaß, und Hans hat es gefallen. Nur mir nicht. Weil mich das einfach nur verrückt gemacht hatte und so geärgert, wie er sich freuen hatte können und lustig war, dass meine Mutter lachte. Mich hätte sie bestraft, wenn ich das gleiche wie der Hans gemacht hätte. Mich hätte sie gewarnt. Mir hätte sie das einfach nur verboten. Mich hätte sie nur ausgelacht, blöd angeredet und verletzt.
Und ich war böse auf den Hans. Ich dachte mir, der Hans, der ist in diesem Fall das Arschloch. Dabei hat der sich nur gefreut.
Egal was ich gemacht habe, sie konnte alles davon schlecht machen.
Ich brachte das nicht mehr heraus, die anderen und auch mich selbst nur schlecht zu machen. Ich sah nichts Gutes mehr, wenn sich wer freuen konnte. Ich fasste das als Vorwurf auf. Das fühlte ich dabei. Was Gutes an sich schlecht zu machen, das brachte ich mir bei.
Mein Körper lügt mich nicht an, er verdreht nichts.
Astrid Johnke
Ich bin nicht schlecht, das kam aus mir nicht raus. Ich bin nicht schlecht, nicht einmal das, wollte die Mutter von mir hören. Ich bin nicht schlecht, war aber wieder nur eine Entschuldigung, das fiel mir aber auch nicht ein. Ich bin nicht schlecht, war wieder voller Reue und Vergebung, voll Untertanengeist, Gehorsam und Erniedrigung. Ich bin nicht schlecht, war voller Ehrerbietung für die Mutter und den Vater. Ich bin nicht schlecht, damit ging ich in mir herum; verzweifelt ohne Wut. Ich bin nicht schlecht, war mein Ergeben, mein Status, von dem ich nicht wegkam. Ich bin nicht schlecht, damit verletzte ich mich immer wieder selber. Ich bin nicht schlecht, damit verletzte ich in Wahrheit meine Unschuld.
Ich brachte das aus mir nicht mehr heraus: Ich bin nicht schlecht!
Ich war nicht immer schlecht, bedeutet immer noch nicht, ich war gut.
Ich bin, ist in der Gegenwart erst fühlbar, ein unschuldiges Kind; auch ohne Segen meiner Mutter.
Der Ausruf, Ich bin gut, bedeutet endlich, was Gutes an sich nicht mehr schlecht zu machen. Erst, Ich bin gut, verdreht nicht wieder alles.
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