Texte von Hugo Rupp

Das konkrete Gefühl

 

Hör auf

zu husten!

Und schnauf

nicht so.

Hör auf

dich immer wieder

umzudrehen

und

sinnlos hin

und her

zu wälzen.

Du tust dir und den anderen das an, was dir passiert, dich zu belohnen, um dir auch einen Sinn zu geben, für das, was dir geschehen ist, sonst wärst du doch nur ganz allein gewesen in der Nacht, am Tag, nach jedem Aufwachen, und niemand da, der dich getröstet hat. Die Einsamkeit, die pure Angst vor dem alleine sein, die jedes Kind zu Tode schreckt, die jedes Kind für sich nur zu vermeiden sucht, das tot sein hier vor seinen Eltern, tot sein müssen, tot stellen, du willst und kannst nicht immer wieder sterben, das geht nicht ohne Sinn für dich, das ist zu unerträglich. Vermeintlich Sinn gibt scheinbar Halt, du weckst dich immer wieder auf, um dir nur selbst zu sagen, du bist noch da, dich selbst musst du bestätigen, du bist noch hier, noch nicht gestorben, solange du den Schmerz noch imitieren kannst, für dich noch wiederholst und immer wieder wiederholen kannst, solange bist du noch am Leben. Du wiederholst die Sensationen mit immer gleichen Bildern, Taten, Wiederholungen, du inszenierst sie neu und neu und immer wieder nur für dich, um dich zu animieren, dich zu beleben, du wiederholst dein Trauma immer wieder, dich suchst du immer wieder heim, dich selbst in deinen Bildern, Träumen. Vom Schmerz allein zu sein, in höchster Not, auf Hilfe, Liebe warten, und nicht beachtet, unbeholfen sein, nie dann wird dir geholfen, wenn du die Hilfe brauchst und sie dir dringend wünschen würdest.

Allein bei deinen Eltern.

Die Angst ist erst vorbei, wenn du auf Rettung nicht mehr wartest, auf deine Rettung warten musst, denn deine Angst war nur gedacht als Lösung vom Problem, als Lösung und Abkopplung, wenn du nur immer wieder denkst an diese Tat, an das Geschehen, an deine Angst, dann wird sich dieser Schmerz auch davon ablösen und schließlich auch vergehen. Dass du die Art Geschichte deines Leidens immer wiederholst zu deinem Besten, wie das die Eltern zu dir sagten und dir auch immer so bedeutet haben, wenn sie dir nur weh taten. Für dich, zu deinem Besten. Das war die größte Lüge, die du erst heute ganz erkennen kannst, als die Enttäuschung deines Lebens. Wie wahnsinnig enttäuschend deine Eltern für dich waren, als du auf sie nur immer warten musstest, als müsstest du auf einen Juckreiz warten, damit du dich selbst kratzen kannst.

Erst wenn du aufhörst dich zu kratzen, hörst du auch auf dich zu enttäuschen, mit deiner Liebe auf die Liebe warten. Denn dein Gefühl war früher da, als dein Juckreiz. Was dich so stach wie tausend Wanzen, und dich verrückt machte vor Jucken und dann Kratzen, das war die Angst vor deinen Eltern.

Die Schläge

hast

du dir

redlich

verdient.

Ich fürchtete mich nicht für mich. Ich fürchtete mich vor ihren Strafen. Ich fürchtete mich, wenn ich Angst und Wut und Traurigkeit aufsteigen in mir fühlte, dass ich dafür bestraft würde, dass ich für mein Gefühl tatsächlich büßen würde müssen. Die Kopplung an ihren Fluch, an ihr Versprechen, dass ohne sie nichts aus mir wird, dass ich versauern würde ohne meine Eltern. Dabei vergass ich immer mich, dass sie doch mich versauern ließen und mir mein Leid wegnahmen. Als sie mir mein Empfinden stahlen. Weil sie mir meine Freude nahmen. Und ohne Angst vor meinen Eltern nichts geschehen durfte.

Gewalt frisst gutes lernen auf. Ich lernte immer nur das schlimmste anzunehmen und für mich zu erwarten, solange ich nicht meine Wahrheit finden konnte.

Weil ich die Wut und meinen Zorn nicht straffrei äußern durfte, weil niemand mir gestattet hatte, mich widerspruchsfrei für mich einzusetzen. Weil kein Erwachsener mich darin unterrichtet hat, dass meine Wut nur eine Reaktion auf meine Schmerzen ist und keinen anderen beschädigt.

Ein Kind, das immer nur bestraft wird, lernt sich und andere bestrafen. Es ist wie eine Art Belohnung, die es mit jeder Strafe unter Schmerzen lernen muss, dass für sein Fühlen und Gefühle zeigen, die Strafe die Belohnung sei. Ein solches Kind wird sich dann immer so belohnen, indem es sein Gefühl stets unterdrückt. Verlassen wird es mit Verlassenheit belohnen. Es lernt sich selbst und jeden anderen von sich zu stoßen.

Die gute Wut will nicht bestrafen und belohnen. Sie schützt, beschützt das Kind und lässt die Angst vor seinen Eltern auch verblassen. Die Emotion vernichtet den Gedanken, dass Unglück und Unheil, die Folge von Gefühlen sei. Ich dachte später immer nur, weil meine Eltern meine Wut bestraften, die Wut selbst wäre eine Strafe. Das ist sie aber nicht. Die gute und berechtigte, die gute Wut des kleinen Kindes. Mit diesem Wissen kann ein Kind aufhören, die Wut als etwas böses anzusehen, das sich nur immer gegen einen richtet. Ein wütendes Kind ist immer aufrichtig und ehrlich. Es wehrt sich gegen die Gefühlsblindheit und seine Wut gehört zur Empathie. Es will und kann niemand damit bestrafen.