Texte von Hugo Rupp

Die fehlende Stimme

 

Als könnte ich dagegen gar nichts tun, weil meine Mutter immer wieder sagen kann: Der meint es nicht so. Nein! Der meint es nicht so, wie er das sagt. Der meint es nicht so! Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. Das hört sich alles schlimmer an, als es tatsächlich ist.

Und ich ertappe mich bei dem Gedanken, daß unsere lange Reise das herrliche, vertrauensvolle, träumerische, unermeßliche Land nur mit einer gewundenen Schleimspur befleckt hat, das Land, das, rückblickend, nicht mehr für uns bedeutete als eine Sammlung eselsohriger Landkarten, zerfledderter Reiseführer und alter Autoreifen und ihr Schluchzen in der Nacht – jede Nacht, jede Nacht -, sobald ich mich schlafend stellte.

Vladimir Nabokov Lolita

Dass er das auch nicht schade fand, dass es gar keine Freundschaft gab. Dass er auch selbst niemand als Freund betrachten konnte. Dass er dabei nichts fand. Und dass es ihm nie etwas ausmachte. Weil er zuhause immer meine Mutter fand.

Unfähigkeit zur Nähe und zur Freundschaft , wie ich sie an mir selbst erlebt habe, und alles Schmerzhafte vertrieb, mit Späßen und mit Flüchen, mit Ironie und mit Verlachen und Beschämen.

Der Schmerzlose mit seiner Frau, die eine Pfauenfeder trägt anstatt des Herzens.

Ich bin Ophelia. Die der Fluss nicht behalten hat. Die Frau am Strick Die Frau mit den aufgeschnittenen Pulsadern Die Frau mit der Überdosis AUF DEN LIPPEN SCHNEE Die Frau mit dem Kopf im Gasherd. Gestern habe ich aufgehört mich zu töten. Ich bin allein mit meinen Brüsten meinen Schenkeln meinem Schoß. Ich zertrümmere die Werkzeuge meiner Gefangenschaft den Stuhl den Tisch das Bett. Ich zerstöre das Schlachtfeld das mein Heim war. Ich reiße die Türen auf, damit der Wind herein kann und der Schrei der Welt. Ich zerschlage das Fenster. Mit meinen blutenden Händen zerreiße ich die Fotografien der Männer die ich geliebt habe und die mich gebraucht haben auf dem Bett auf dem Tisch auf dem Stuhl auf dem Boden. Ich lege Feuer an mein Gefängnis. Ich werfe Kleider in das Feuer. Ich grabe die Uhr aus meiner Brust, die mein Herz war. Ich gehe auf die Straße, gekleidet in mein Blut.

Hier spricht Elektra. Im Herzen der Finsternis. Unter der Sonne der Folter. An die Metropolen der Welt. Im Namen der Opfer. Ich stoße allen Samen aus, den ich empfangen habe. Ich verwandle die Milch meiner Brüste in tödliches Gift. Ich nehme die Welt zurück, die ich geboren habe. Ich ersticke die Welt, die ich geboren habe, zwischen meinen Schenkeln. Ich begrabe sie in meiner Scham. Nieder mit dem Glück der Unterwerfung. Es lebe der Hass, die Verachtung, der Aufstand der Tod. Wenn sie mit Fleischermessern durch eure Schlafzimmer geht, werdet ihr die Wahrheit wissen.

Heiner Müller Die Hamletmaschine

Für Vaters Schmerzlosigkeit hat meine Mutter ihn bewundert.

Du bist nicht wie dein Vater.

Ich war nie wirklich schmerzlos und schmerzfrei. Ich tat nur so und wollte auch so sein. Ich wollte keine Schmerzen haben. Ich schämte mich dafür und hasste sie. Und trotzdem wollte ich darüber reden. Das wollte Vater nie.

Dich werd ich auch noch durch die Mangel drehen.

Jetzt fällt mir das auch wieder ein, wie dumm und bösartig mein Vater zu mir war. Ich wollte mit ihm weg. Ich wollte an der Hand des Vaters immer wieder gehen und weggehen. Er drehte sich und schaute weg von mir. Er stellte sich unwissend hin, als wäre ich tatsächlich Luft. Solange ich ihm meine linke Hand hinhielt.

Ein Linker wird kein guter Schreiner!

Und Mutter lächelte. Sie lachte, wie ich immer wieder meine „falsche“ linke Hand hinhielt und schließlich weinte, weil Vater sie nicht nehmen wollte. Dann ging er weg und ließ mich da bei ihr.

Aus Fehlern wird man klug.

Und das bedeutete für mich, dass Schmerzen meinen Hass verdienten und nichts sonst.

Ich kann mich jetzt nicht um dich kümmern!

Was ich hörte, war einzig die Melodie spielender Kinder, nichts als das, und so klar war die Luft, daß man in diesem dünnen Dunst sich mischender Stimmen – dann und wann, wie erlöst, einen fast artikulierten Ausbruch hellen Gelächters hören konnte oder den Knall eines Holzschlägers oder das Geklapper eines Spielzeugwagens, aber alles war zu weit entfernt für das Auge, um irgendwelche Lebensregung in den blaß gezeichneten Straßen zu erkennen. Ich lauschte von meiner luftigen Höhe aus diesen musikalischen Vibrationen, diesem Aufblitzen einzelner Rufe auf dem Hintergrund verhaltenen Gemurmels; und dann wußte ich, daß nicht das Fehlen Lolitas an meiner Seite das trostlos Erschütternde war, sondern das Fehlen ihrer Stimme in dieser Harmonie.

Vladimir Nabokov Lolita

Mein Vater hat das nie an sich erkannt. Er ging mit meiner Schwester irgendwann spazieren und redete über Vergangenheit und mich: Dein Bruder kommt von der Schule heim und freut sich auf zu Hause, und sie versteckt sich nur.

Schmerzlos, erbärmlich, selbstgerecht. Dabei hat dieses feige Schwein nie was zu mir gesagt und meine Mutter niemals davon abgehalten, sich unentwegt so tot zu stellen, wie seine eigne Mutter auch vor ihm.

Als der Reisende, mit dem Soldaten und dem Verurteilten hinter sich, zu den ersten Häusern der Kolonie kam, zeigte der Soldat auf eins und sagte: »Hier ist das Teehaus.« Im Erdgeschoß eines Hauses war ein tiefer, niedriger, höhlenartiger, an den Wänden und an der Decke verräucherter Raum. Gegen die Straße zu war er in seiner ganzen Breite offen. Trotzdem sich das Teehaus von den übrigen Häusern der Kolonie, die bis auf die Palastbauten der Kommandantur alle sehr verkommen waren, wenig unterschied, übte es auf den Reisenden doch den Eindruck einer historischen Erinnerung aus, und er fühlte die Macht der früheren Zeiten. Er trat näher heran, ging, gefolgt von seinen Begleitern, zwischen den unbesetzten Tischen hindurch, die vor dem Teehaus auf der Straße standen, und atmete die kühle, dumpfige Luft ein, die aus dem Innern kam. »Der Alte ist hier begraben«, sagte der Soldat, »ein Platz auf dem Friedhof ist ihm vom Geistlichen verweigert worden. Man war eine Zeitlang unentschlossen, wo man ihn begraben sollte, schließlich hat man ihn hier begraben. Davon hat Ihnen der Offizier gewiß nichts erzählt, denn dessen hat er sich natürlich am meisten geschämt. Er hat sogar einigemal in der Nacht versucht, den Alten auszugraben, er ist aber immer verjagt worden.« »Wo ist das Grab?« fragte der Reisende, der dem Soldaten nicht glauben konnte. Gleich liefen beide, der Soldat wie der Verurteilte, vor ihm her und zeigten mit ausgestreckten Händen dorthin, wo sich das Grab befinden sollte. Sie führten den Reisenden bis zur Rückwand, wo an einigen Tischen Gäste saßen. Es waren wahrscheinlich Hafenarbeiter, starke Männer mit kurzen, glänzend schwarzen Vollbärten. Alle waren ohne Rock, ihre Hemden waren zerrissen, es war armes, gedemütigtes Volk. Als sich der Reisende näherte, erhoben sich einige, drückten sich an die Wand und sahen ihm entgegen. »Es ist ein Fremder«, flüsterte es um den Reisenden herum, »er will das Grab ansehen.« Sie schoben einen der Tische beiseite, unter dem sich wirklich ein Grabstein befand. Es war ein einfacher Stein, niedrig genug, um unter einem Tisch verborgen werden zu können. Er trug eine Aufschrift mit sehr kleinen Buchstaben, der Reisende mußte, um sie zu lesen, niederknien. Sie lautete: ›Hier ruht der alte Kommandant. Seine Anhänger, die jetzt keinen Namen tragen dürfen, haben ihm das Grab gegraben und den Stein gesetzt. Es besteht eine Prophezeiung, daß der Kommandant nach einer bestimmten Anzahl von Jahren auferstehen und aus diesem Hause seine Anhänger zur Wiedereroberung der Kolonie führen wird. Glaubet und wartet!‹ Als der Reisende das gelesen hatte und sich erhob, sah er rings um sich die Männer stehen und lächeln, als hätten sie mit ihm die Aufschrift gelesen, sie lächerlich gefunden und forderten ihn auf, sich ihrer Meinung anzuschließen. Der Reisende tat, als merke er das nicht, verteilte einige Münzen unter sie, wartete noch, bis der Tisch über das Grab geschoben war, verließ das Teehaus und ging zum Hafen. Der Soldat und der Verurteilte hatten im Teehaus Bekannte gefunden, die sie zurückhielten. Sie mußten sich aber bald von ihnen losgerissen haben, denn der Reisende befand sich erst in der Mitte der langen Treppe, die zu den Booten führte, als sie ihm schon nachliefen. Sie wollten wahrscheinlich den Reisenden im letzten Augenblick zwingen, sie mitzunehmen. Während der Reisende unten mit einem Schiffer wegen der Überfahrt zum Dampfer unterhandelte, rasten die zwei die Treppe hinab, schweigend, denn zu schreien wagten sie nicht. Aber als sie unten ankamen, war der Reisende schon im Boot, und der Schiffer löste es gerade vom Ufer. Sie hätten noch ins Boot springen können, aber der Reisende hob ein schweres, geknotetes Tau vom Boden, drohte ihnen damit und hielt sie dadurch von dem Sprunge ab.

Franz Kafka In der Strafkolonie

Sie zweifelten an jedem Schmerz und standen ungläubig sich gegenüber. Von mir erwarteten sie Gläubigkeit. Er tat mir etwas an, und sie verharmloste. Nur ungläubiges Staunen, wenn mir etwas geschah. Ihr Zweifeln prinzipiell an allen meinen Schmerzen. Ihr Augenaufschlag, wenn ich etwas nicht verstand. An mir andauernd nur verzweifeln, als würde ich sie dazu anführen. Als wäre ich nicht richtig hier. Als wäre ich nicht klar im Kopf und nicht ganz richtig dort. Nur immer vor den Kopf gestoßen.

Die Stimme, die mir fehlte, war meine eigene; für mich. Denn mit der Forderung des Vaters und der Mutter, stets auf der Seite eines Elternteils zu sein, verlor ich meine Sicherheit. Ungläubig wurde ich für mich und jeder Art Empfindung gegenüber.

Sei jetzt gefälligst brav!

Der Harmoniebedarf der Mutter und des Vaters, wie sie sich immer wieder gegenseitig stützten, egal was sie und er mir angetan hatten. Ihr Harmoniebedarf.

So treten wir als Nachwelt die Erbschaft der Eltern an, indem wir von der Begabung des Künstlers profitieren.

Alice Miller Du sollst nicht merken

Das wollen mir die Träume immer wieder sagen. Nie wütend in den Träumen sein, obwohl sich niemand dort erklärt. Nie eine Absicht nach Erklärung finden können. Die Züge, die mir ohne eine Art Erklärung wegfahren. Die Menschen, die nur einfach weggehen, verschwinden und nie wieder kommen. Die Leere und die Helligkeit des Nachmittags und keine Menschenseele. Verrückte Sachen, die jede Suche nach dem Sinn, an sich selbst ungeschehen machen. Ein Unglücksfall und keinerlei Erklärung, schien alles unbesehen.

Die Pfauenfrau.

Und wie sie mich dann hinstellte, im Zimmer an die Wand, und zu sich kommen ließ.

Jetzt komm!

Wie ich dann immer wieder überlegte. Mit welchem Fuß zuerst und wie viel Schritte, und nicht zu kleine. Das mag er auch nicht, wenn ich langsam gehe. Und wenn ich meine Hand dann hebe und ihm gebe, dass ich nicht zögere. Denn wenn ich zögere, dann geht er wieder weg. Ich muss nur einmal richtig überlegen, dann gebe ich ihm meine rechte Hand. Die rechte Hand und nicht die linke, wie Mutter sagt. Wie sie das immer wieder mit mir macht. Wie sie das immer wieder mit mir üben will. Am liebsten Tag und Nacht. Mir richtig Hand geben beibringen. Wie ich das heute erst verstehen kann, warum ich dann später immer wieder Schachzüge im Traum übte. Wie ich Figuren hin und her verschob und wie von Sinnen, immer wieder. Vollkommen sinnlos alle Züge. Vor allem Springer Züge. Die Springer links, dann wieder rechts. Wie zwanghaft ich im Traum die Rösselsprünge übte. Wie sinnlos und wie grausam, und scheinbar ohne Absicht.

Das muss in Fleisch und Blut dir übergehen, sagt sie.

Wie unnachgiebig und wie dumm. Wie Vater und die Pfauenfrau mich immer wieder fragten.

Wie gibt man jemandem die Hand?!

Wie gibt man jemandem die Hand!?

Wie gibt man jemandem die Hand!?

Wie gibt man jemandem die Hand!?

Damit der Vater sich auch wieder freuen kann auf einen vorzeigbaren Sohn. Ich wünschte mir, ich könnte laut wie 1000 Pfauen schreien.

Wie gibt man jemandem die Hand!?

Jetzt fallen mir die Schachzüge schon wieder ein. Mit welcher Hand mach ich den nächsten Zug? Und immer wieder Suche nach dem idealen Zug. Berührt, geführt. Aus Angst nur immer wieder einen falschen Zug zu machen. Ich überlegte dabei unentwegt, was meine wahre Hand wäre, die linke oder meine rechte. Ein guter Zug?

Zuhause ist es doch am schönsten!

Wie Mutter das nach jedem Ausflug sagte, und Vater dann zum Stammtisch ging, und ich mit ihr alleine blieb. Und Mutter machte es uns schön, gemütlich, wie sie immer wieder sagte. Ich saß dabei und sah sie an und hörte zu, wie sie dann ab und zu auch Tränen vor dem Fernseher vergoß.

Das Greifbare, das ich nicht greifen und nicht fassen kann und nicht einmal berühren will. Die Mutter, die mir immer wieder ihre linke Hand hinhält und lacht und dann wegsieht. Wenn ich ihr meine linke Hand dann geben will. Sie spielte nur mit mir und meiner Not und Angst. Sie spielte mit mir linke Hand und lachte mich dermaßen aus, wenn ich ihr meine Linke dann auch geben wollte. Sie hatte nie die Absicht mir einfach zu helfen.

Was kostet dich denn etwas Freundlichkeit!? Jetzt gib mir deine Hand! Dann sind wir wieder froh.

Jetzt merke ich, woher das kommt, mein ärgern und gleich in die Luft gehen; wie Vater auch. Wenn etwas nicht gleich klappt. Mein unbändiger Zorn, in Not noch ausgenutzt zu werden.

Ich meinte es doch gut!

Ich merkte nicht, dass Mutters Spiele, ihr Verhalten, gar nichts mit mir zu tun hatten, auch nichts mit meiner linken Hand. Linkshändigkeit war meiner Mutter ganz egal. Ihr kam es gar nicht darauf an.

Sein Kopf wies in die Richtung der Hütten, dahin wo in der Ferne ein weißer Rauchfaden zum Himmel aufstieg. Roger hockte sich auf den äußersten Rand der Klippe; er sah finster auf die Insel zurück, während er mit dem Finger an einem losen Zahn wackelte. Sein Blick blieb an dem fernen Gipfel des Berges hängen. Robert wollte den unausgesprochenen gemeinsamen Gedanken verscheuchen.

Er will Wilfred schlagen.“

Weshalb?“

Robert bewegte ungewiß den Kopf.

Keine Ahnung. Er hat’s nicht gesagt. Er ist plötzlich wütend geworden, und wir haben Wilfred fesseln müssen. Er ist jetzt“ – er kicherte aufgeregt – er ist jetzt seit Stunden gefesselt und wartet immer noch – “

Aber hat der Häuptling nicht gesagt, weshalb?“

Ich hab nicht gehört, daß er etwas gesagt hat.“

Roger saß auf dem ungeheuren Felsen in der dörrenden Sonne und empfing diese Nachricht wie eine Erleuchtung. Er ließ seinen Zahn in Ruhe und saß ganz still; die Möglichkeiten willkürlicher Machtausübung wurden ihm klar. Dann kletterte er ohne ein Wort zu sagen an der Rückseite der Felsen hinunter zu der Höhle und den andern der Bande.

William Golding Der Herr der Fliegen

Ihr Überlegen, mit den Fingern spielen, und nichts sagen. Und ihre Ringe vor sich hinlegend und schließlich ordnend, dann packte sie ihr Fingernagelset daneben aus. Und öffnete den Nagellackentferner. Der beißende Geruch, den ich nicht riechen mochte, war gleich da. Ich hustete.

Jetzt spiel nicht gleich verrückt. So schlimm ist das auch wieder nicht.

Und dann ihr Lächeln, auch wie üblich.

Wenn dir das nicht gefällt, dann kannst auch ins Bett gehen.

Sie hatte mir das beigebracht, seelische Grausamkeit erst stumm, dann lächelnd, schließlich forschend zu ertragen. Ich war daran gewöhnt und deshalb fiel mir gar nicht auf, dass ich andauernd mich damit betrachten lernte. Als wäre ich, das Kind von Anfang an grausam. Als wäre Grausamkeit etwas Archaisches.

Sie packte ihren Nagellackentferner aus und rieb mir den Verschluss, dann die getränkte Watte, unter meine Nase. Daher also meine Schnappatmung, mein immer wieder Hüsteln zwischendurch, wenn ich mich aufrege und selbst nicht weiß, warum.

Die Grausamkeit, für mich nach Alkohol, Parfüm und kaltem Schweiß stinkend.

Sie parfümierte sich, da war ich grade auf der Welt, und gab mir Alkohol, da war ich zwei, sie schickte mich mit einem Schrei zurück, während der Blinddarm meines Vaters brach, und alles nach Schweiß stank, nach kalter Wut und Todesangst. Ich war gewöhnt mir alles zu gefallen lassen. Erst stumm, dann lächelnd und dann forschend. Wie schon gesagt.

Was machst du denn!?

Ich putze mir die Zähne! Und schaute dabei durch den Türschlitz ganz genau in ihre Richtung.

Wenn du noch etwas Fernsehen willst, dann kannst du dich auch wieder zu mir setzen!

Sie lächelt und sie ärgert mich.

Was hast du denn!?

Ich konnte sie nicht ändern.

Ich komme von der Schule heim, und sie versteckt sich nur vor mir.

Als würde niemand grausam sein an sich bemerken können. Und welche Qual das ist, um Mitleid betteln müssen, und selbst dafür noch Grausamkeit zu ernten.

Wenn man das aber weiß und fühlen kann, wie Grausamkeit Gefühle schwächt, muss man nicht länger an der Idee festhalten, dass Grausamkeit, selbst grausam sein, einem bei Schmerzen und Verzweiflung und tiefer Einsamkeit auch helfen kann.

Als müsste ich nur selber grausam sein und meine eigne Stimme würde still sein und mich nicht länger quälen. Als würde ich so nichts mehr mitbekommen können, von Schmerz und Wut und meiner Angst.

Die Angst vor Grausamkeit, schließlich mit grausam sein zum schweigen bringen. So wird man böse und gemein und hinterhältig.